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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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im Radio angesagt, das ist Teil des Sommerlebens. Viivi bleibt als Einzige aus der Familie konsequent und isst keine. Sie ist Vegetarierin.
    Rapu
zu essen wird regelrecht zelebriert. Und eingeladen zu sein ist eine Ehre. Eine Ehre, die man dem jungen deutschen Freund der Tochter natürlich gewähren wollte. Axel erzählt: »Ich war zum ersten Mal eingeladen. Ich war panisch. Man kocht oder brät die Krebse in der Schale. Also mit Innereien. Ich dachte: Muss ich hier Krabbenkacke essen? Ich habe dann überlegt: Nehme ich eine kleinere, um weniger Kacke zu essen? Nehme ich eine größere, um den Darm und die Exkremente besser entfernen zu können? Allein der Gedanke an die Fäkalien des Tieres – in diesem Moment hat das Krebse-Essen für mich all seinen Charme verloren. Schon früher hat mich fettiges Fleisch mit Sehnen angeekelt. Ich habe ’ne Allergie dagegen entwickelt. Dem Finnen macht das alles nichts aus. Der ist absolut routiniert im Krabbendarm-Entfernen. Ich saß da und dachte: Hoffentlich kriege ich nie wieder so eine Einladung!«
     
    Es ist Nachmittag. Wir sitzen in der Sonne. Unter uns ruht der See, Libellen schwirren durch die Luft. Aus solchen Seen werden in Schweden Krimis gemacht. Hier trägt Kati den Kuchen auf. Noch mal Blaubeerkuchen. Mmmmh! Wieder mit frischgepflückten Blaubeeren, direkt vom Busch. Kati spricht kein Wort Deutsch, Ilse kein Wort Finnisch. Sie haben keine Sprache, die sie teilen. Aber sie haben ihre gegenseitige Sympathie, Offenheit, Neugierde und vielleicht auch die Gemeinsamkeit der Mutterschaft. Das scheint zu reichen. Plaudernd gehen sie in den Wald. Gleich am
mökki
beginnt fast undurchdringliches Grün. Dornen, Farne, Büsche, Bäume, Spinnennetze. Kati zeigt Ilse die Wege durch den Wald zu den Blaubeerbüschen. Manche stehen vereinzelt, dann wieder ranken sich ganze Kolonien entlang der Wege oder führen tief hinein in den Wald. Ihre Stimmen werden leiser, dann hören wir nichts mehr. Nur noch das Summen des vielstimmigen Insektenchores und das Rauschen in Zweigen, Blättern und Kiefernnadeln. Als sie lange Zeit später zurückkommen, mit gutgefülltem Eimer, plaudern sie immer noch genauso unverzagt miteinander. Kati zeigt auf Pflanzen, auf Blumen, Büsche und andere Gewächse, und Ilse nickt und nennt die deutsche Artenbezeichnung. Manchmal wiederholt eine das Wort der anderen. Dazwischen lachen sie immer wieder. Als sie näher kommen, schaut Hermann verwundert auf: »Was machen die denn? Die verstehen sich doch gar nicht!«
    Als ich Ilse später frage, worüber sie geredet hätten, antwortet sie nur: »Och, über dies und das.«
    Am Abend will Matti Fisch räuchern, in seinem kleinen Räucherofen in der Außenküche. Wir schauen zu. Eigentlich sind wir die ganzen Tage über nur draußen, kochen draußen, essen draußen. Wir haben bestes Wetter. Der wärmste Sommer seit 76  Jahren in Finnland. In der Region Lahti misst man Finnlands Höchsttemperaturen. Sogar einen neuen Hitzerekord verzeichnen die Chronisten. Und wir sind mittendrin. Wochenlang über 30  Grad. Axel sagt: »Dabei sind die warmen Tage für Lahti für dieses Jahr statistisch schon restlos aufgebraucht.« Wir verschmieren mehr Sonnencreme, als wir auf Mallorca gebraucht hätten.
    Matti entzündet im Räucherofen mit Birkenholz das Feuer, darüber schiebt er ein Blech mit kleinen Splittern von Pinien- bzw. Kiefernholz, bestreut mit Kiefernnadeln. Der Lachs hat jetzt schon zwei Stunden im Salz gelegen. Das Salz wird abgekratzt, der Fisch mit Öl eingestrichen und dann über das Blech mit dem Holz geschoben. Dann verschließt Matti den Ofen. Das sieht besser aus als bei jedem deutschen Fernsehkoch.
    Zwischendrin hackt er Holz. Er bereitet den abendlichen Saunagang vor.
    »Schon wieder?«, fragt Ilse.
    Ob sie nicht doch einmal mit hineinwollten?
    »Ist doch so schon warm genug«, sagt Hermann, der im Unterhemd am Tisch sitzt. »Warum macht ihr das eigentlich immer mit der Sauna?«, fragt er.
    »Das machen wir schon immer so«, antwortet Matti, fast verblüfft über die Frage nach Sinn und Zweck, die man sich dort genauso wenig stellt, wie man in Deutschland über die Existenz der Bundesliga nachdenken würde.
    »Um uns zu waschen. Wir haben uns auch früher schon immer abgeduscht dort«, erklärt Kati.
    »So was hatten wir in Deutschland nie«, sagt Hermann.
    Und dann erzählen meine Eltern vom Bad in der Zinkwanne, als wir noch zur Miete wohnten. Und wie man Wasser sparte, als wir später das eigene Haus

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