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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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überraschend in dem Land, in dem Nokia seinen Stammsitz hat. Sie wird jährlich ausgetragen in Juva. Den Weltrekord hält seit 2005 Mikko Lampi mit 94 , 97 Metern. Angetreten wird in vier Wurf-Kategorien: »Junior«, »Freestyle«, »Traditional« und »Team Original«. Es gibt die Weltmeisterschaft im Gummistiefel-Weitwurf. Auch das erklärt sich leicht, denn Nokia begann als Gummistiefel- Produzent. Da das Unternehmen noch in anderen Produktfeldern aktiv ist, sind weitere Weltmeisterschaften zu erwarten.
    Nicht ganz so »ökonomisiert« ist die Weltmeisterschaft im Luftgitarrespielen, die »Air Guitar World Championships«. Hier muss eigentlich jeder kommerzielle Begleitgedanke als absurd bezeichnet werden, da Luftgitarren nicht im Handel sind, sondern reine Phantasieprodukte. Ganzseitig wird mittlerweile weit über Finnland hinaus darüber berichtet, auch in Deutschland. Eine ganz große Show auf dem Marktplatz von Oulu. Genaue Choreographien. Die Vorbereitungen der Teilnehmer unterscheiden sich in nichts von den Tourproben großer Bands wie Tokio Hotel oder Iron Maiden und der akribischen Arbeit an der Choreographie russischer Eislaufpaare für die Kür bei Olympia.
    7000 Fans vor Ort, auf YouTube und Myspace laufen die Auftritte in der ewigen Verfügbarkeit des Internets. Die Stadt Oulu hat die weltweite Akzeptanz, vor allem aber die Strahlkraft längst erkannt. Der Bürgermeister lädt die Teilnehmer ins Rathaus, im Tourismus-Paket der Stadt ist die Weltmeisterschaft inzwischen eine feste Größe und für die Region ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Aus der ganzen Welt kommen Teilnehmer und Presse. Qualifikationen sind ebenfalls nötig. Es gibt Meisterschaften in 24  Ländern.
    Für den Wettbewerb kreieren die Künstler meist »Alter Egos«, der Sieger 2010 war Sylvain Quimene, der sich Günter Love nennt, also ein Franzose, der seinen Künstlernamen deutsch-britisch zusammensetzt und wie eine Karikatur des Glam-Rock, falls das überhaupt geht, über die Bühne tobt. 2011 gewann diesen Wettbewerb eine Deutsche mit dem Künstlernamen »Des Teufels Nichte«. Letztlich geht es hier zu wie im echten Rock ’n’ Roll, nur eben mit unsichtbarem Gerät. Ein Artikel in der »Frankfurter Rundschau« zum Thema trägt den poetisch-programmatischen Titel »Der Griff ins Leere«. Der Cheforganisator wird zitiert mit dem Satz: »Hier ist nichts verboten, außer der Gitarre. Du kannst Air Drugs nehmen und natürlich auch Air Groupies.«
    Wenn Spaß so ernst genommen wird, dann muss einem um die Welt nicht bange sein. Und das formuliert letztlich auch den gesellschaftlichen Auftrag. 2010 war nicht weniger als der Weltfrieden das Ziel. WM -Begründer und Cheforganisator Tapani Launonen sagte: »Wenn alle Menschen auf der Welt Luftgitarre spielen, kann keiner eine Waffe tragen.« Inzwischen gibt es Luftgitarren-Workshops auch in Deutschland. Längst gibt es begleitend Experten, Doktorarbeiten und fachkompetente Medienwissenschaftler, und an der Uni Hildesheim werden Seminare zu diesem Thema veranstaltet.
     
    Ich liege auf meinem Bett im Sauna-
mökki
und lese. Mein Handy brummt. Isabel meldet sich: »Erzähl mir von Finnland! Wie ist das Wetter?«
    Ich schreibe die längste SMS meines Lebens: »Liebe Isabel. Du möchtest wissen, wie es hier so ist. Heute also: das Wetter. Der Finne und das Wetter sind gar kein großes Thema. Natürlich ist es hier manchmal kälter als in Deutschland. Die Winter dauern länger, in Lappland bis zu 200  Tage, aber wenn erst mal Frühling und Sommer losbrechen, dann gibt es kein Halten mehr. Der Vesijärvi-See war dieses Jahr schon im Mai eisfrei, sagt Axel. Und jetzt ist hier Sommer. Hochsommer. Wir haben uns fast einen Sonnenbrand geholt, und in den Geschäften sind die Ventilatoren ausverkauft. Axel sagt, es gäbe erst im Herbst wieder welche, auf den Flohmärkten. Es ist heiß hier. Sauheiß! Ich war grad in der Sauna, und die war auch kaum heißer als die Mittagstemperaturen draußen. Alle warten auf Regen. Angeblich regnet es in Finnland dauernd und ganzjährig. Also ständig. Außer es schneit. Aber das ist völliger Unsinn. Ich habe auf Wikipedia nachgeschaut. Der mittlere jährliche Niederschlag ist in Deutschland um 100 bis 150  mm höher als hier. Im nördlichen Finnland, in Lappland, ist er sogar noch geringer. Manchmal glaube ich, Wetter ist mehr ein individuelles Empfinden als ein objektiv-klimatisches Phänomen. Deshalb frieren die meisten Frauen. Ganzjährig.

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