Finne dich selbst!
»Birke gibt bessere Hitze«, sagt Matti. Das Nadelholz harzt mehr, rußt also auch mehr. Alle drei Jahre etwa werden hier die Kamine gereinigt.
Matti reißt die Rinde von den Holzscheiten. Die verwendet er als Anmachholz. Er zeigt uns auch kleine Körbe und Schalen, geflochten aus Birkenrinde, die traditionell weiter gefertigt und genutzt werden.
Holz und Wasser, das sind wohl die finnischen Grundelemente. Finnland hat viele tausend Kilometer Küsten, Flüsse, Bäche und Kanäle, die
kanaali
, vor allem aber auch jede Menge Seen, Weiher und Teiche. Das »Land der tausend Seen« besteht in Wirklichkeit natürlich aus weit mehr als tausend Seen, angeblich sind es 188 000 , und da sind die Teiche noch nicht mal mitgezählt. Die Kombination Finnland – Wasser bringt bei Google 11 400 000 Treffer. Dabei hält sich der Niederschlag in Grenzen. Finnland ist längst nicht so verregnet, wie es das allgemeine Vorurteil glauben machen will.
Beim Wasser ist der Finne in seinem Element. Und zwar in beiden Aggregatzuständen, flüssig und fest, also Wasser als Wasser, im Fluss, im See, aus der Quelle, als Regen, aber auch als Eis und als Schnee oder aufbereitet als Spirituose. Im Vergleich zum Finnen liegt der Ostwestfale rein wassermäßig eindeutig auf Platz zwei. Wir haben nur Weser und Mittellandkanal, der Dümmer See und das Steinhuder Meer gehören schon zu Niedersachsen.
Wasser ist hier mehr als in jedem anderen Land das nicht nur sprichwörtliche Lebenselixier. Der Finne nutzt das Wasser auch als Transportweg. Früher wurden die gefällten Bäume von Flößern über Flüsse und Seen zu den Sägewerken gebracht. Und so mancher Finne ist beruflich Seemann. Andere sind nur zum Vergnügen und ganz privat auf dem Wasser, rudern, paddeln oder segeln. Natürlich ist der Finne auch mal mit Motorbooten unterwegs, aber das machen wie gesagt eher die mittlerweile zahlreichen Russen. Der Finne selber liebt die Ruhe viel zu sehr, als dass er mit lärmenden Motoren die Natur erschrecken wollte. Außer im Winter, da fährt er Motorschlitten wie eine besengte Sau.
Manchmal steht dem Finnen das Wasser zwar nicht bis zum Hals, aber doch bis zum Bauch: am
mökki
, wenn er die Seepflanzen mit der Sense mäht. Dann steht er im Wasser, schwingt die Sense und sammelt die abgeschnittenen Halme und Pflanzen ein, trocknet sie und trägt sie in den Wald oder auf den Kompost.
Außerdem nutzt der Finne das Wasser, um sich zu verpflegen: Er angelt, was die Leine hergibt. Angler sind in Ostwestfalen nicht die völlige Ausnahme, aber doch in gewisser Weise Exoten. In Deutschland kennt man Fische eigentlich nur noch paniert, entweder als Scholle oder Seelachs bei Nordsee oder zu Hause in der Pfanne als »Stäbchen«. Hier in Finnland angelt man selbst. Eine besondere Form des Angelns ist das Eislochangeln. Jeder Finne besitzt einen Eislochbohrer und eine Eissäge. Eislochangeln gibt es mittlerweile sogar als Computerspiel,
Propilkki
. Und die entsprechenden finnischen Internetseiten auf Youtube sind zehntausendfach angeklickt.
Matti zeigt mir seine Eiswerkzeuge. Damit schneidet er im Winter ein Loch in den See, direkt vor dem kleinen Steg, und geht zum Abkühlen zwischen den Saunagängen hinein. Und Axel geht mit! Axel hatte uns in Kutenhausen schon davon vorgeschwärmt, vom Schwimmen im See, den Abenden am Wasser, dem Hinausrudern mit dem Boot, den Saunagängen, gerade auch in den Wintermonaten, wenn Matti den See löchert und Axel todesmutig neptunig mit ins Wasser steigt. Meine Eltern erschauerten damals bei diesen Erzählungen ihres Jüngsten.
»Das wär nichts für mich!«, sagte Hermann.
»Du gehst ja sowieso nicht ins Wasser. Selbst wenn es warm wär«, hielt Ilse dagegen.
Jetzt fahren Axel, Matti und ich auf den See hinaus und leeren die Reusen mit Krebsen.
Rapu
. Von Mitte Juli bis Mitte September dürfen sie gefangen werden, aber nur Exemplare von mindestens zehn Zentimetern Länge. Ich rudere das Boot. Ich gelte als Profi, weil ich früher in Minden jahrelang Regatten gefahren bin, erst als Steuermann vom Achter, später selber am Riemen im Leichtgewichtsvierer. Matti dirigiert mich zu den Bojen. In einer Falle sitzen zwei Krebse. Den kleinen wirft Matti wieder ins Wasser, den zweiten hält er mir unter die Nase. Das Tier greift mit seinen Scheren in die Luft.
»Wenn die zupacken, tut das weh?«
»Ja klar.«
Und schon habe ich Respekt.
Rapu
gilt als Spezialität, als Leckerbissen. Der Beginn der Krabbensaison wird hier
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