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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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raus: »Als ob einer gestorben wär!«
    Ilse sieht ihn von der Seite an: »Im Gegenteil. Scheinbar kommst du doch ganz grade wieder mit nach Hause.«
    »Das will ich doch hoffen!«
    Schweigen. Fernes Möwengeschrei.
    »War schön mit euch«, sagt Axel.
    »So? Oder sagst du das jetzt nur so?«, fragt Ilse mehr rhetorisch.
    Viivi übersetzt es uns: »Ihr sollt wiederkommen. Nächstes Jahr?«
    Schweigen.
    »Mal sehen.«
     
    Ich lasse die vier vorgehen und trinke noch ein letztes Bier bei Aino. Dann schlendere ich am See entlang nach Hause. Und, wie war das jetzt mit dem Finnen an sich, frage ich mich selbst. Wie ist er tatsächlich? Genau wie in den Kaurismäki-Filmen? Was habe ich gedacht und was habe ich erlebt?
    Mein Handy brummt, aber ich schaue nicht nach.

Der Finne an sich
    Für mich sind die Finnen die letzten Cowboys Europas. Wilde Kerle, nicht ohne Tadel, mit einem starken Hang zum Saloon, aber immer auf der richtigen Seite kämpfend. Die Weiten der amerikanischen Prärie sind ihnen die endlosen Birken-, Kiefern- und Fichtenwälder. Dort reitet der Finne auf seinen unfassbar schönen amerikanischen Oldtimern dem Sonnenuntergang entgegen – und in manchen Monaten dauert das eben ein paar Wochen, bis sie untergegangen ist.
    Nun schaue ich zurück auf zwei Wochen unter Finnen, auf Sauna,
mökki
und
makkara
. Der Sommer war alles andere als kalt, wir hatten keinen Regen, nur zwei Schauer, dafür Rekordtemperaturen. Wir haben kaum eine Mücke zu Gesicht bekommen, aber dafür auch keinen Elch. Was sich aber bestätigt hat: Der Alkohol ist teuer! Vielleicht auch deshalb habe ich sehr viele nüchterne Finnen gesehen. Sogar immer wieder.
    Aber der Finne ist auch konsequent. Wenn er trinkt, trinkt er. Bis zum Ende. Dann kotzt er. In Finnland ist das kein leeres Wort. Der Finne geht so lange in die Kneipe, bis er bricht. Dann geht er nach Hause. Wenn nötig auf allen vieren. Der aufrechte Gang ist tatsächlich nicht zwingend typisch für den Finnen an sich. Wenn die Sommersonne den Asphalt aufheizt, kriegt der Trinker dabei heiße Hände und muss pusten. Abwechselnd. Das dauert, bis der zu Hause ist. Mein Bruder dachte anfangs, sein Nachbar habe eine Behinderung, weil er ihn öfter so sah. Aber nicht alles ist so, wie es scheint. Andererseits lebt der Finne gefährlich, besonders an Mitsommernacht. Axel erzählt von den Zeitungen, die am Tag danach von denen berichten, die jedes Jahr betrunken vom Steg fallen. »In diesem Jahr wieder acht Tote an Mitsommernacht!«
    Wie ist er denn nun wirklich, der Finne? Was ist typisch? Zuerst: Der Finne ist absolut rücksichtsvoll. Zum Beispiel gibt es kein Skispringen während der Tour de France. Der Finne verfügt darüber hinaus über ein paar grundlegende zivilisatorische Fähigkeiten, die andere Völkerschaften in Europa entweder nie besaßen oder zugunsten von Zentralheizung und Thermostat längst aufgegeben haben: Jeder Finne kann in wenigen Sekunden ein Feuer zum Brennen bringen, im Notfall sogar schwimmend auf einem See. Dazu braucht er nicht mehr als sein Finnenmesser und die nächstgelegene Tanne. Auch im heißesten Sommer hat hier niemand diese griechische Angst vor Waldbränden. Es will auch niemand mit illegalen Brandrodungen Bauland schaffen. Das Finnenmesser übrigens ist der Jaguar unter den Schneidewerkzeugen. Ein Griff, eine Klinge, und das war’s. Nicht der verspielte Überfluss des Schweizer Messers mit hundert unnützen Applikationen! Ein Telefon soll telefonieren, ein Messer soll schneiden. Sonst nichts.
    Der Finne kann Fische mit zwei Fingern fangen. Elche kann er mit der bloßen Faust stoppen, und in der Zeit, in der Finnen einen Hasen schnappen, sein Fell abziehen und ihn aufs leckerste braten, schaffen es Polen und Portugiesen höchstens, sich die Schuhe zuzubinden.
    Der Finne ist ein echter Naturbursche. Jeder kann Fährten suchen, und alle ringen sie regelmäßig mit Bären. Im Herbst sind alle auf Beerensuche, und jeder ist ein begnadeter Schwarzbrenner. Und die Finnen sind ein Wintervolk! Deshalb bewegen sie sich perfekt auf Langlaufskiern, im Synchronschneetreten sind sie führend, und niemand kann ihnen etwas vorbohren, was Eislochangeln betrifft. Zudem sind sie sangesstark und kälteresistent. Ihre Gastfreundschaft ist legendär, und wenn alle Betten belegt sind, übernachtet mancher auch gern in der Kühltruhe, wo neben dem selbstgeschossenen Braten und den eingefrorenen Moltebeeren immer noch eine Schlafkuhle frei ist. Da der Finne täglich sein

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