Finnischer Tango - Roman
der PKK 1978, er wurde zu zehn Jahren verurteilt, floh 1983 aus dem Gefängnis Mardin und hat danach als Guerilla der PKK gekämpft. Der Mann konnte nach 1978 nicht einmal fotografiert werden.« Die Mitglieder der Krisengruppe wandten sich zur Lagetafel, wo Turan Zana auf dem Foto, das die türkischen Behörden nach seiner Verhaftung aufgenommen hatten, mit langen Haaren und glatten Wangen trotzig dreinschaute.
»Wenn sich Zana nun mal in Helsinki versteckt, dann bittet die Finnen, ihn aufzustöbern«, sagte Langdon und schwieg dann einen Augenblick, in Gedanken versunken. »Wo schlägt Takfir zu – das ist jetzt die allerwichtigste Frage.«
In der operativen Zentrale redeten plötzlich alle durcheinander, jeder in der Gruppe hatte Dutzende Ziele vorzuschlagen.
»Auf englischem Boden sind alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen schon ergriffen worden, die Gefahrenstufe ist auf Rot erhöht, und alle Behörden befinden sich in Alarmbereitschaft«, rief Melissa über den Lärm hinweg, und die anderen verstummten. »Aber was ist, wenn Takfir einen Anschlag auf ein britisches Ziel im Ausland ausführt?«
Langdon klopfte mit den Knöcheln an die Glaswand der operativen Zentrale. »Wir informieren noch extra alle ausländischen Filialen von britischen Unternehmen und die Botschaften über die akute Gefahr und stellen die Häfen, Flughäfen, Kernkraftwerke und die anderen Energieerzeuger unter Sonderbewachung, ebenso Westminster, das Parlament, Buckingham und die anderen Paläste, die St.-Pauls-Kathedrale … Na, ihr wisst schon.«
38
Die Tasse mit dem doppelten Espresso klirrte vor Ratamo auf dem Tresen der Bar im »Kämp«, er bezahlte und überlegte dabei, inwieweit die Räume in ihrem jetzigen Aussehen noch an das ursprüngliche Hotel aus dem neunzehnten Jahrhundert erinnerten. Er ging in das Bibliothekszimmer, holte ein Foto von Adil al-Moteiri aus der Tasche und schaute sich schnell um. Doch er sah in dem Raum nur eine Herrengesellschaft im Frack, die wahrscheinlich auf den Beginn einer Festveranstaltung zu Ehren des Unabhängigkeitstages wartete.
Ratamo kehrte in die Bar zurück, er zog seine Ölzeugjacke aus, hängte sie über die Sessellehne und setzte sich. Die Erfahrung ist wie ein Kamm, den das Leben erst herausrückt, wenn der Mensch schon kahlköpfig ist, dachte er. Warum hatte er die Seriennummer der Waffe von Eevas Vater nicht sofort ermittelt? Jetzt hatte man ihn aufs Abstellgleis geschoben und zur Schreibtischarbeit verdammt, gerade als die interessantesten Ermittlungen im ganzen Jahr auf ihren Höhepunkt zusteuerten. Hatte er seine Laufbahn in Gefahr gebracht, war das jahrelange Rackern für die Katz gewesen? Und wie würde es Eeva nun ergehen? Hatte er ihr mehr geschadet als genutzt? Nur weil er seine Zunge nicht im Zaume halten konnte, hatte Mikko Eeva verlassen.
Wenigstens hatte Wrede ihm erlaubt, mit al-Moteiri zu reden. Er hatte ein paar wichtige Fragen an den Iraker, obwohl im Vorleben des Mannes anscheinend alles so rein war wie selbstgebrannter Schnaps. Al-Moteiri behauptete, wegen der Mathematiker-Konferenz nach Helsinki gekommen zu sein, war aber anscheinend nicht ein einziges Mal dort gewesen. Ratamo hatte in der Technischen Hochschule vorbeigeschaut und al-Moteiris Foto sowohl den Organisatorender Konferenz als auch Teilnehmern gezeigt: Niemand hatte den Mann erkannt.
Klaviermusik aus den Lautsprechern berieselte den Raum, sie hörte sich genauso an, wie die Bar des »Kämp« aussah: künstlich, alles war nur Kulisse. Ratamo hatte Kopfschmerzen, das lag an der gespannten Atmosphäre in der SUPO: Heutzutage musste man in der Ratakatu mit jedem Wort vorsichtig sein, man musste sich absichern und überlegen, auf wessen Seite man sich schlug und mit wem man sich einließ. Es brachte ihn auf die Palme, dass Riitta die Suche nach Turan Zana und den anderen PKK-Mitgliedern leiten durfte, während er das Vorleben von Eevas Männern durchforstete und dafür auch noch Wrede um Erlaubnis bitten musste. Allerdings wäre es nicht verwunderlich, wenn Eevas Männer irgendwie mit den Morden zusammenhängen würden. Das war ein seltsames Trio: Der letzte irakische Wissenschaftsminister unter Saddam, ein Diplom-Ingenieur, der seine Frau verprügelte, und ein Fotograf, der wie ein Naturschützer aussah. Al-Moteiri und Antti Hytölä, denen Eeva den Laufpass gegeben hatte, besaßen sogar irgendwie ein Motiv – Rache.
Ratamo war müde. So sehr hatte er noch nie auf den Sommerurlaub gewartet, und jetzt war
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