Finnischer Tango - Roman
ihren Tarnanzügen und den übers Gesicht gezogenen Kommandomützen. Arbamow spürte in der Nase den säuerlichen Gestank der Suppe und der Ausscheidungen der Gefangenen und verzog das Gesicht.
Er war hier, weil es nur zwei Alternativen gab: Entwederer zahlte den Kurden fünfundzwanzig Millionen Dollar und verdiente dafür in den nächsten Monaten durch den Heroinhandel die zehnfache Summe, oder er ließ Turan Zana die Beweise für seine und Umars Heroinoperation den Behörden übergeben und verlor dadurch Millionen, außerdem würden seine Unternehmen zerstört, und er würde den Rest seines Lebens entweder auf der Flucht vor dem Gesetz oder im Kresty verbringen.
Es gab also keine echten Alternativen. Er musste in die Erpressung der kurdischen Gangster einwilligen, obwohl das endlos viele Risiken in sich barg: Selbst wenn er zahlte, könnten ihn die Kurden denunzieren oder später weiter erpressen. Er besaß kein Mittel, das ihm garantierte, das gesamte Beweismaterial erhalten zu haben.
Es war Zeit, Turan Zana anzurufen, beschloss Arbamow und befahl Renata, die Nummer des Kurden einzutippen. Er wartete darauf, dass sich jemand meldete, und je länger der Rufton zu hören war, umso nervöser wurde er. Die Phantasie ging mit ihm durch: Vielleicht ortete gerade jemand seine Position, vielleicht würde die Polizei das Taxi an der nächsten Kreuzung stoppen, oder vielleicht würde auch er bei einem Raketenanschlag sterben wie Aslan Murtazaliew vor drei Tagen in Sankt Petersburg.
»Turan Zana.«
»Ich bin in der Stadt. Wenn man das hier so bezeichnen kann«, sagte Arbamow.
»Wir treffen uns auf dem Senatsplatz am Denkmal für Alexander II.«
Arbamow gab Zanas Anweisungen an Renata weiter, die über eine Minute brauchte, bis sie es dem Taxifahrer auf Englisch erklärt hatte.
»Du glaubst also nicht, dass die Kurden auf dem Senatsplatz schießen?«, fragte Arbamow, machte sich aber nicht die Mühe, Renata dabei anzuschauen. Er wollte nicht, dasssie mit ihm flirtete, um seine Verärgerung zu beschwichtigen. Renata war den Kurden in die Falle gegangen und würde für ihren Fehler büßen, sobald sie nicht mehr gebraucht wurde.
»Die werden ja wohl kaum wollen, dass man sie erwischt. Der Platz liegt im Zentrum von Helsinki, dort befinden sich um diese Zeit immer viele Leute, und auf den Straßen, die aus dem Zentrum hinausführen, kommt man nur erbärmlich langsam voran. Ich rufe Ruslan an, er soll uns den Rücken freihalten.« Renata studierte noch eine Weile den Stadtplan von Helsinki und holte dann ihr Telefon aus der Tasche.
Als das Taxi vor dem Regierungspalais anhielt, drückte Arbamow dem Fahrer zwei Zwanzig-Euro-Scheine in die Hand und stieg aus, ohne auf das Wechselgeld zu warten. Er atmete die kalte Luft tief ein, beobachtete den großen, offenen und schneebedeckten Platz und begründete noch einmal vor sich selbst, warum es unabdingbar war, zu zahlen: Er wollte nicht ins Kresty oder für den Rest seines Lebens auf der Flucht sein. Nein, er wollte das Drogenprojekt zu Ende führen und dabei so viel Geld machen, dass er alle seine illegalen Geschäfte aufgeben und für immer nach London ziehen konnte. Es half, wenn die Dinge im Kopf klar waren, nun fühlte er sich bereit. Er musste es sein.
Das Denkmal Alexanders II. war schon von weitem zu sehen. Arbamow ging darauf zu, gefolgt von Renata, und überlegte, ob die Kurden das Denkmal des russischen Zaren zufällig gewählt hatten oder ob ihnen die Ironie der Situation klar war.
Alexander II. in zehn Metern Höhe und die prächtigen Bronzefiguren auf dem roten Granitsockel hätten Arbamow gar nicht weniger interessieren können. Eine Touristengruppe irgendwoher aus Asien umkreiste das Denkmal, Kameras klickten.
Renata stellte sich auf der Westseite des Zaunes, der das Denkmal umgab, neben Zana und schaute Arbamow einladend an.
»Erledigen wir das schnell. Möchten Sie die Einzahlung auf das Konto, das Ihr finnischer … Assistent in dem Erpresserbrief angegeben hat?« Arbamow würdigte Zana keines Blickes. Er legte seinen Laptop auf den Zaun, schaltete ihn ein und ging ins Internet.
»Wir haben sicherheitshalber ein anderes Konto gewählt.« Zana reichte Arbamow einen Zettel. »Geben Sie als Empfänger der Einzahlung lieber ›Kontoinhaber‹ an und nicht PKK. Bei fünfundzwanzig Millionen Dollar sollte man vorsichtig sein.« Er bemühte sich, witzig zu klingen, obwohl er nur den Rollentext aufsagte, den Adil ihm vorgegeben hatte.
Arbamow überwies das
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