Finnischer Tango - Roman
Gesicht vor Wut heiß wurde, gleichzeitig empfand er aber auch Mitleid. War Eeva also doch in die Morde an den Russen verwickelt? Hätte er also doch den eindeutigen Zeichen ihrer Schuld glauben müssen: der verschwundenen Luger, den phantasievollen Geschichten von dem Türken, den nie jemand anderes gesehen hatte … War es ein schwerer Fehler gewesen, Eeva zu vertrauen, musste er nun stempeln gehen? Ratamo fürchtete, dass er sein Leben nicht mehr im Griff hatte, das lag an der ständigen Müdigkeit.
»Riitta, wie ist die Lage?« Die Frage des Schotten im Befehlston ließ Riitta Kuurma nach einem Blatt ihrer Unterlagen greifen. »Wir haben Turan Zanas Persönlichkeitsprofil vom türkischen Nachrichtendienst erhalten. Das Foto des Mannes, das allerdings uralt ist, wurde überall in der Hauptstadt und der Umgebung verteilt. Und die Männer von der Überwachung befragen jetzt alle Kurden zu Zana, da aus denen, die sonst als Informanten dienen, nichts herauszukriegen war. Zana wird zwar früher oder später gefunden, aber …«
Ratamo unterbrach sie: »Hat denn nicht dein Kontakt beim MI 5 gesagt, dass der Terroranschlag schon morgen passieren wird? Um sechs Uhr finnischer Zeit?« Riitta Kuurma nickte. »Es bleiben nur reichlich vierundzwanzig Stunden Zeit. Zana muss jetzt sofort gefunden werden, wenn wir ihn verhören wollen. Und ich glaube eigentlich nicht, dass man ihn leicht zum Reden bringen wird.«
»Du nimmst ab jetzt wieder normal an den Ermittlungen teil«, sagte Wrede und begnadigte damit Ratamo. »Jetztwerden alle gebraucht, nach Ende der Ermittlungen wird man sehen, was dann unternommen wird.«
Ratamo staunte, das war das erste Mal, dass Wrede etwas für ihn tat. »Pass nur auf, dass Palosuo dich nicht auch aufs Abstellgleis schiebt.«
»In Kürze wird man sehen, wer hier wen aufs Abstellgleis schiebt. Palosuo kommandiert vielleicht nicht mehr lange hier herum, wenn sie …«
Wredes Zorn legte sich, als die Tür aufging und der Ermittler Ossi Loponen hereingelatscht kam, wie üblich ohne anzuklopfen. »Ich habe gute und schlechte Nachrichten. Turan Zana ist mit Sicherheit in Helsinki. Ein Ehepaar, das in einem Kurdenrestaurant Mittag essen war, hat ihn auf den Fotos erkannt, und es gibt auch andere Hinweise. Aber Eeva Hallamaa ist nirgendwo zu finden, ihre Tochter hat sie bei ihrem Lebensgefährten gelassen.«
Ratamo musste daran denken, wie Eeva ihm im Sommer das erste Mal ihre Probleme anvertraut, von der Drogenhölle erzählt und geschworen hatte, dass sie ihr Leben nie wieder, um keinen Preis der Welt, ruinieren würde. Und in den letzten Monaten hatte es keine Anzeichen dafür gegeben, dass sie wieder Speed nahm. Vielleicht war das doch alles von jemandem sorgfältig inszeniert worden. Er beschloss, Eeva zu vertrauen, auch wenn die Gefahr bestand, dass er für seine Blauäugigkeit bestraft würde.
»Du bist nicht schuld, wenn Eeva Hallamaa irgendeine Dummheit begangen hat«, sagte Kuurma, um Ratamo aufzumuntern.
Doch sie erreichte damit genau das Gegenteil. »Ihre Tochter ist auch nicht schuld, Kirsi wird aber dennoch darunter leiden müssen.«
Wrede klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch. »Jetzt konzentrieren wir uns auf die Suche nach den Kurden. Bittet die Kollegen um Unterstützung, soweit es erforderlichist. Diese Ermittlungen haben jetzt den absoluten Vorrang. Wenn das jemand nicht glaubt, dann sagt ihm, er soll mich anrufen. Und das gilt auch für Palosuo«, verkündete der Schotte selbstsicher, und die Besprechung war zu Ende.
Ratamo packte zufrieden seine Unterlagen ein, er hatte schon vergessen, warum Wrede trotz seines komplizierten Charakters der zweite Mann der SUPO war. Wenn es hart auf hart kam, war Wrede der richtige Mann am richtigen Ort: kontrolliert aggressiv und schnell in seinen Entscheidungen. Aus dem Schotten könnte ein guter Chef werden, wenn er es noch lernen würde, seine Untergebenen zu schätzen. Ohne Orchester war auch der allerbeste Dirigent nur ein Mann im Frack mit einem kleinen Holzstöckchen.
Eine halbe Stunde später betrat Ratamo hinter dem Hausmeister, der einen Jeansoverall trug, den Treppenflur des Hauses in der Helsinginkatu.
»Verdammt, diese Kerle haben überhaupt keinen Anstand mehr.« Der untersetzte Hausmeister wurde wütend, als er im Treppenhaus die Krakel sah, die jemand mit schwarzer Tusche an die Wand gemalt hatte. »Früher war es einfacher, weil sich die Jugendlichen nur mit Bier zugeschüttet haben, jetzt nehmen sie diese Pillen und
Weitere Kostenlose Bücher