Finnischer Tango - Roman
Erleichterung fast in Ohnmacht gefallen, als anstelle der weißen Seite Text erschien. Es war ihr gelungen. »Anweisungen der Kommandozentrale Nadschaf …« Eeva konnte die Worte in Englisch gerade noch lesen, dann wurde der Stuhl gedreht, und sie sah Adil vor sich.
»Hervorragend gemacht. Ich habe es ja gesagt, für dich ist das ein Kinderspiel.« Adil nahm Eeva an der Hand und führte sie zu einem alten Ledersessel, in den sie sich setzen musste.
»Jetzt kann ich dir diese … Kulisse erklären. Du wirst zugleich erfahren, was mir passiert ist, nachdem ich auf deine … Initiative aus Finnland in den Irak zurückgekehrt war. Das Schicksal meiner Schwestern und meiner Eltern kennst du schon«, sagte Adil und löschte dabei alle Lichter in dem Raum, außer einer kleinen Tischlampe.
Eeva wusste nicht, was sie erwarten sollte, die Erleichterung nach ihrem Erfolg wich, und an ihre Stelle trat wieder die Angst. Dann erleuchtete der an der Decke befestigte Multimediaprojektor die einzige weiße Wand des Raumes. Der Aufschrei eines Menschen ließ Eeva zusammenfahren, an der Wand lief ein Video, in dem ein wütender Soldat mit einem Stock auf einen am Boden liegenden Mann einschlug, dessen Kopf in einem Sack steckte … Eeva wandte den Kopf ab und wartete, bis der Schrei erstarb. Dann spähte sie vorsichtig wieder zur Wand. Das Gefängnis in dem Video erinnerte an dieses Büro. Ihr wurde übel. Plötzlich wechselte das Bild, und sie sah einen zuckenden Mann unter einem riesigen Hund.
Empört sprang Eeva auf. »Verdammt, jetzt reicht es!« Sie tastete nach dem Lichtschalter an der Wand.
Adils Hand berührte Eevas Haut, als sie das Licht einschaltete. »Ich dachte, es wäre gut für dich, zu wissen, was es für ein Gefühl ist, wenn man alles verliert.«
Verliert, forfeit . Adil hatte dasselbe selten verwendete englische Wort benutzt wie der Türke. Jetzt erinnerte sich Eeva: Es war Adil, bei dem sie das Wort früher schon gehört hatte. Deswegen war ihr das die ganze Zeit durch den Kopf gegangen. Die beiden kannten sich also; arbeiteten Adil und der Türke zusammen? Warum hatte Adil dann gelogen und behauptet, er sei dem Türken noch nie begegnet?
»Du kennst den Türken«, sagte Eeva.
Adil war überrascht, und dann freute er sich. Natürlich hatte seine Geliebte das erkannt, deswegen hatte sie ja auch so gut zu ihm gepasst. »Ich wollte nur dich retten, aber in gewisser Weise habe ich damit gleichzeitig auch dem … Türken geholfen. Und das ist gut so, nach all dem Unrecht, das euch widerfahren ist, habt ihr es verdient, dass euch nun das Recht zuteil wird. Ich habe dir dieses Video gezeigt, damit du weißt, was mit mir in Camp Bucca geschehenist, diese Erfahrungen haben bewirkt, dass ich verstanden und fortan alles aus dem richtigen Blickwinkel gesehen habe.«
Eeva starrte Adil an und versuchte zu begreifen, was er sagte. »Hat man dich dort gefoltert? Und was bedeutet, du hast alles aus dem richtigen Blickwinkel gesehen?«, fragte sie schließlich.
»Auch bösen Menschen muß man ihre Taten in gerechter Weise heimzahlen«, verkündete Adil. »Wenn ich einen Folterer ermorde, dann sagst du, das ist Rache oder das Böse, aber ich nenne es das Recht oder Güte.«
Das erste Mal in ihrem Leben spürte Eeva, dass sie sich vor Adil fürchtete. »Du bist also gefoltert worden?«
»Genau wie die Menschen, die du eben gesehen hast. Deinetwegen bin ich nach Bagdad zurückgekehrt, deinetwegen habe ich meine Eltern und meine zwei Schwestern verloren und bin ins Gefangenenlager gekommen und gefoltert worden. Und es ist mein Verdienst, dass dir dein Recht zuteil werden wird. Alles das, was mit dir geschehen wird, nachdem du den Raum verlassen hast, ist mein Verdienst, mein Dank für alles, was ich von dir bekommen habe.«
Warum spielte Adil mit Worten und trat hier auf wie die Göttin des Rechts? »Was willst du mit all dem eigentlich erreichen?«, fragte Eeva und hatte Angst.
»Etwas, wozu nur ich imstande bin. Du bist nur ein kleiner Teil einer perfekten Inszenierung, eines Tricks, der ein neues Zeitalter in der Geschichte einleiten wird. Iman Ali hat die Schiiten und Sunniten getrennt, schon bald wird derselbe Mann sie vereinen. Aus seinem Grab heraus. Oder genauer gesagt, mit seinem Grab.«
»Du bist verwirrt.«
»Wie es Bahr gesagt hat: ›Genie besteht immer darin, dass einem etwas Selbstverständliches zum ersten Mal einfällt.‹«
Eeva hätte am liebsten gelacht, aber dazu war sie nicht in der Lage. »Du bist
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