Finnischer Tango - Roman
intelligent, aber nicht klug, und bei weitem kein Genie. Du bist ein Gefangener deiner Vorstellungen von Größe, ein verwöhntes Gör, das immer nur seine eigenen Interessen verfolgt.«
Adil trat näher an Eeva heran. »Die meisten der großen Genies wählen ihren eigenen sonderbaren, ungewöhnlichen Weg, und der Rest der Welt nennt den mal so, mal so, mal böse, mal kriminell, weil er nicht imstande ist, das Geniale zu verstehen.«
»Du bist ein buchgelehrter Einsiedler, der von Menschlichkeit oder Gefühlen nichts versteht. Deshalb habe ich dich auch verlassen.« Eeva konnte sich nicht mehr zurückhalten.
»Der Preis für die Tugend ist oft Langeweile, der Preis für die Größe Vereinsamung, wenn du gestattest, dass ich Boßhart hier anführe. Aber du bist wohl kaum fähig, wahre Größe zu verstehen.«
Jetzt konnte Eeva schon über Adil lachen. »Wer die Gedanken anderer Menschen zitiert und ein ungewöhnlich gutes Gedächtnis hat, der ist noch lange kein Genie oder ein kluger Mensch, er ist nicht einmal unbedingt intelligent.«
Für einen Augenblick sah es aus, als würde Adil die Fassung verlieren, aber dann seufzte er und lächelte. »Deine Zukunft liegt in meinen Händen. Falls du es vergessen haben solltest, in deiner Wohnung und im Fotoatelier deines … derzeitigen Mannes liegt immer noch ein Kilo Amphetamin, und ich habe die Fotos von dir und Dworkins Leiche.«
Eeva blieben die Worte im Halse stecken. Das war zu viel, wollte Adil die vom Türken gefälschten Beweise der Polizei übergeben? Plötzlich nahm Adil ihren Mantel, drückte ihn ihr in die Arme und stieß sie dann zur Tür hinaus. »Du bistfrei und kannst gehen«, hörte sie ihn hinter sich sagen. Die Tür knallte zu, und Eeva stand allein im Schneetreiben.
Das Gefühl, das man empfand, wenn man dem Recht zur Geltung verhalf, glich keiner anderen Emotion, in ihm verschmolzen Rache, Freude und Stolz. Adil stand da, schaute nach oben und sah schon vor sich, was Eeva geschehen würde. Das Piepen seiner Armbanduhr unterbrach diesen Moment, er würde erst am nächsten Tag Zeit haben, seinen Erfolg zu genießen. Jetzt musste er die Dateien von Umar Hussain und Takfir von den Internetseiten herunterladen, deren Passwort Eeva geknackt hatte.
Danach war alles bereit für den Anschlag von Nadschaf.
46
»Das Leben ist eine zum Tode führende Krankheit, die man beim Geschlechtsverkehr bekommt.« Arto Ratamo las den Spruch an der Wand des Klos in der zweiten Etage der Ratakatu. Das dürfte so stimmen. Welcher Nichtsnutz beschmierte denn bei der Sicherheitspolizei die Wände? Das Wort Krankheit ließ ihn an Nelli denken und an die zahlreichen Ursachen, die eine erhöhte Zahl weißer Blutkörperchen haben könnte. Es war besser, wenn er versuchte, nicht mehr daran zu denken, sonst würde er selber krank werden, vor Sorge.
Ratamo wusch sich die Hände und griff nach den Papierhandtüchern. Ein Schweißtropfen rollte von seiner Stirn in die dunklen Augenbrauen, er schwitzte, obwohl die Wände des über hundert Jahre alten Hauptgebäudes der SUPO Kälte ausstrahlten.
Turan Zanas Leiche war vor einer Stunde gefunden worden, und Wrede hatte ihm befohlen, schnellstens eine Zusammenfassung der bei Zana gefundenen Unterlagen anzufertigen.Der Schotte kümmerte sich um die Analyse des Bildmaterials, und Riitta war mit anderen unterwegs und suchte die zwei kurdischen Helfer Zanas. Man hoffte, dass sie etwas über den drohenden Terroranschlag in Großbritannien wussten.
Es war sechs nach sechs, Ratamo fluchte, nahm seine Mappe, die auf dem Waschbeckenrand lag, riss hastig die Tür auf und warf sie hinter sich zu. Er kam wieder zu spät. Die letzte Wendung in den Ermittlungen machte ihn so wütend, dass es in den Schläfen rauschte. Er hatte Eeva in jeder Hinsicht falsch eingeschätzt: Nach Zanas Unterlagen war Eeva doch wieder schwach geworden und nahm Drogen. Es fiel ihm immer noch schwer, das zu glauben. Wenn er auf irgendetwas stolz war, dann auf seine Menschenkenntnis, in der Regel konnte er echte Menschen von solchen unterscheiden, die sich verstellten. Hatte Eeva skrupellos seine Gutgläubigkeit und ihre Freundschaft ausgenutzt? Dass er Ermittlungsergebnisse verheimlicht hatte, könnte nun seine Laufbahn bei der SUPO ruinieren. Das erste Mal seit langer Zeit begriff er, wie viel ihm die Arbeit als Ermittler bedeutete, obwohl sie so schwer war, dass sie ihn auffraß. Auch das war eine Art Droge, überlegte er: Wenn man einmal auf den Geschmack gekommen
Weitere Kostenlose Bücher