Finnischer Tango - Roman
überhaupt nichts mehr. »Von welcher Organisation sprichst du?«
Ein Ehepaar auf seinem Abendspaziergang lief an ihnen vorbei, als sie vor der Kneipe standen und sich stritten, und schaute sie missbilligend an.
»Je weniger du weißt, umso besser.« Adil ging in Richtung der Anhöhe und bedeutete Eeva mitzukommen.
So sehr Eeva ihr Gehirn auch anstrengte, in ihrem Kopf funktionierte alles nur sehr zähflüssig. Doch diese neue Situation würde wahrscheinlich auch nichts daran ändern, dass sie sich in jedem Falle selbst retten musste. Dann schon lieber an Adils Seite als an der des Killers mit dem fleckigen Gesicht, dachte sie und folgte Adil.
Sie stapften auf dem vereisten Weg den Anstieg hinauf, an einer Schule und einem Kindergarten vorbei, und liefen auf der anderen Seite hinunter bis in die niedrige Unterführung zum Industriegelände von Roihupelto. Man hörte ein kurzes dumpfes Rauschen, wenn Autos darüber hinwegfuhren. Dann gingen sie durch eine schmale Gasse zwischen zwei Industriehallen aus Fertigteilen, in der man das Licht der Straßenlaternen nur noch ahnen konnte; der Schnee knirschte unter ihren Schuhen.
Adil führte Eeva über das Industriegelände bis zu seinem Büro oder vielmehr zum Camp Bucca, ins Gefängnis. Alles war bereit. Zuweilen warf er einen Blick auf seine Geliebte und dachte an ihre gemeinsamen Tage in der Vergangenheit. Traurigerweise war das Schicksal von Genies auf Grund irgendeines Naturgesetzes fast ausnahmslos so tragisch. Adil öffnete die Tür und bedeutete Eeva, vor ihm hineinzugehen.
Eeva glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Hatte man sieins Gefängnis gebracht? Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass dies alles vorgetäuscht war: Die Zellen und die Gitter hatte man an die Wand gemalt, die Blutlachen auf dem Fußboden waren Farbflecke, und die Soldaten an der Wand Pappbilder. Und an den Flügeln des Ventilators an der Decke hing eine widerliche nackte Schaufensterpuppe. »Was soll denn das sein?«
»Erst erledigen wir die Arbeit, dann erkläre ich es dir. Alles ist vorbereitet.« Adil zeigte auf den Bürostuhl und wartete, bis sich Eeva gesetzt hatte. »Die Seite mit dem Gedächtnisspiel ist schon geöffnet, du musst nur … Aber du weißt ja wohl schon, was du zu tun hast.«
»Wiederholen wir es noch mal«, sagte Eeva, sie wischte ihre Handflächen an den Hosen trocken und zuckte zusammen, als sie in der Ecke eine Ratte sah, die gierig Futter aus einem Joghurtbecher verschlang.
Adil beugte sich so weit über Eeva, dass er den vertrauten Duft ihrer Haut roch. »Wenn du den Pfeil mit der Maus auf ›Play‹ bringst und klickst, dann wartet der PC zwanzig Sekunden und zeigt danach für zwei Sekunden eine Zahlenreihe von fünfzehn Ziffern. Die mußt du innerhalb von zehn Sekunden in das Fenster darunter eingeben. Für dich ist das eine Leichtigkeit. Nicht einmal ich kann das, wenn es um Zahlen geht.«
»Ich weiß nicht, ob ich imstande …«
Adil lachte. »Das ist für dich doch bloß Training. Liegt dein Rekord noch bei achtzehn Zahlen?«
Eeva antwortete nicht, sie starrte wie hypnotisiert auf den Monitor. Der Hintergrund der Internetseite war weiß, sie sah nichts anderes als das Wort Play und das leere Fenster darunter. Den oberen Teil des Monitors hatte Adil mit schwarzem Klebeband verdeckt, damit sie die Adresse der Site nicht sah. Eeva war so aufgeregt, dass ihre Füße unablässig auf dem Boden auf und nieder wippten. Sie versuchtesich zu konzentrieren, aber ihr Gehirn gab keine Ruhe und stellte bedrohliche Fragen: Würde sie es in der vorgegebenen Zeit schaffen? Was geschähe, wenn es ihr nicht gelang? Ihre Zukunft hing von zwei Sekunden ab.
Eeva griff nach der Maus und hielt sie so krampfhaft fest, dass sie es bemerkte, und versuchte lockerer zu sein und sich zu suggerieren: Denk an Kirsi, tue es für sie, es muss gelingen, dein Kopf ist frei, schau auf die Ziffern, mach ein Bild wie ein Foto.
Ein Mausklick startete die Uhr des Computers. Eins, zwei, drei … Eeva zählte die Sekunden mit. Ihr Herzschlag beschleunigte sich … acht, neun … Das Geräusch der Schritte Adils störte die Konzentration, sie stampfte auf, um ihm zu zeigen, er solle ruhig sein … zwölf, dreizehn … in ihren Ohren rauschte es, sie war zu aufgeregt … 16 … davon hing jetzt alles ab … zwanzig.
Die Zahlenreihe tauchte urplötzlich auf dem Bildschirm auf und verschwand genauso schnell wieder. 654197871321546: Eeva hämmerte die Ziffern in die Tastatur und wäre vor
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