Finnischer Tango - Roman
einzige anständige Lokal in Nadschaf gewesen. Er und Umar hatten dort viele angenehme Stunden mit Pilgern, Geschäftsleuten, Kriminellen, Aufständischen und Journalisten verbracht. Damals war in dem Restaurant nur Kebab angeboten worden; er wollte immer noch nicht wissen, aus welchen Tieren man die fettigen Fleischstücke herausgeschnitten hatte.
Obwohl der wichtigste Augenblick noch bevorstand, fühlte Adil schon, wie der Stolz ihn wärmte. Er war ein perfekter Manipulierer. Nichts verlangte so viel Intellekt wie das Steuern anderer Menschen, das war die höchste Form der Intelligenz. In gewisser Weise war er zugleich Erzieher seiner Opfer: Nach Ansicht von A. J. Greimas handelte es sich bei der Erziehung immer darum, dass der Erzieher den zu Erziehenden so manipulieren musste, dass er bestimmte Dinge tat.
Es schien so, als wäre der Zufall in jeder Hinsicht auf seiner Seite. Selbst das Datum, der 7. Dezember, erwies ihm die Ehre. An diesem Tag im Jahre 1941 hatten die Japaner eine Veränderung der Welt ausgelöst, als sie mit Hunderten von Flugzeugen Pearl Harbor, den Flottenstützpunkt der USA auf Hawaii, attackiert hatten. Der Überraschungsangriff hatte die USA mit in den Zweiten Weltkrieg hineingezogen und dazu geführt, dass sie am Ende Verluste in Höhe von vierhunderttausend Toten erlitten hatten. Er würde heute mit einer gewaltigen Erschütterung den Startschuss für eine Kette von Ereignissen geben, neben der auch Pearl Harbor verblassen würde.
In Kürze würde er dem MI 5 all jene Dokumente schicken, die er auf den von Eeva geöffneten Seiten kopiert hatte: Informationen über Umar, über die Organisation Takfir und die Ziele ihrer künftigen Terroranschläge. Bei dieser Operation war das richtige Timing das A und O.
Umar Hussain wäre lieber über glühende Kohlen gegangen, als Adil al-Moteiri gerade an dem Tag zu begegnen, an dem die »Pride of Britain« untergehen würde. Was zum Teufel machte Adil in Nadschaf, und warum wollte er gerade jetzt ein Treffen? Und weswegen hatten die Briten Hunderte Soldaten des Regiments Black Watch nach Nadschaf geschickt? Er hatte es nicht gewagt, eine Begegnung abzulehnen, Adil hatte Andeutungen gemacht, der Anschlag auf das Schiff könnte gefährdet sein.
Umar hatte das Gefühl, dass die Wände der unterirdischen Kommandozentrale einstürzten und ihn unter sich begruben, es fiel ihm immer schwerer zu atmen. Mehrmals verlor er fast die Geduld, als er die dunkelgraue Burga der Frauen anzog. Der Umhang bedeckte die Haut vom Hals bis zu den Hand- und Fußgelenken, der Schleier verbarg Haare, Bart und Hörgerät und das Tuch den Hals. Nur dieAugen und die Hände waren zu sehen, niemand würde ihn erkennen. Manchmal erwies es sich auch als nützlich, dass er klein war.
Umar zappte schnell die Nachrichtenkanäle durch: CNN, BBC, Al-Dschasira. Nichts über die »Pride of Britain« oder über die Gründe für die Operation von Black Watch in Nadschaf. Er hörte sich einen Augenblick die Geräusche an, die von den in Lautsprechern verborgenen Mikrofonen aus dem Geschäft übertragen wurden, und als er sich vergewissert hatte, dass der Weg frei war, öffnete er den Riegel der dicken Stahltür.
Im Geschäft teilte er Nabil mit, er werde in ein paar Stunden zurückkehren, dann trat er hinaus in das Gedränge auf dem Basar. Nabil war der einzige Mensch, der Umars Aufgabe und seinen Hintergrund kannte, das war die Bedingung für Umars Überleben. Man wusste, dass Takfir eine Organisation der Wahhabiten war, die aber hatten im 19. Jahrhundert Raub- und Vernichtungszüge in die heiligen Städte der Schiiten unternommen, die sie für Ungläubige hielten, auch nach Nadschaf. Er würde sterben, wenn man ihn hier entdeckte.
In der von kleinen Geschäften gesäumten Gasse wimmelte es von Menschen, das ließ Umar daran denken, wie es hier zur Zeit des Ashura-Festes aussah: Tausende Schiiten geißelten sich mit Ketten und schlugen sich im Takt lauter Musik auf die Brust. Bei den Azádári -Umzügen waren Hunderttausende Menschen unterwegs, manche zogen ein hölzernes Joch und andere schlugen sich mit dem Schwert.
Umar ging einen der vielen von Bäumen gesäumten friedlichen und ruhigen Boulevards der Universitätsstadt entlang, betrachtete die Ziegelhäuser mit ihren Gewölbebögen und steuerte dann auf die Imam-Ali-Moschee zu. Von denen, die ihm entgegenkamen, war jeder zweite ein Geistlicher mit Turban. Es war ein merkwürdiges Gefühl, als erdaran dachte, dass die Vernichtung
Weitere Kostenlose Bücher