Finnischer Tango - Roman
der »Pride of Britain« ihn zu einem Führer machen würde, der mächtiger war als alle Geistlichen.
54
Der modisch gekleidete Sliman Mouni stand im Panoramarestaurant auf Deck 12 der »Pride of Britain« und beobachtete den Schlepper, der das Schiff in den Hafen von Helsinki zog und dicke, schwarze Abgaswolken ausstieß. Helsinki machte den Eindruck einer kleinen Stadt: gleichmäßig niedrige Wohnhäuser, Industriehallen, der Hafen für die Passagierschiffe … In den Wirbeln, die der Schlepper hinterließ, schaukelten die Eisschollen und dampfte das eisige Wasser. Diejenigen, die bei der Explosion der »Pride of Britain« ins Wasser stürzten, hätten nicht die geringste Überlebenschance.
Der Luxuskreuzer erreichte in wenigen Minuten den Hafen. Mouni hatte schon am Morgen seine Sachen gepackt, er musste nur noch das Gepäck aus der Kabine holen. Dann würde er das Schiff verlassen, zunächst nach Syrien reisen und sich später dort verstecken, wo ihn Umar Hussain hinschickte. Nach der Zerstörung der »Pride of Britain« würde der Hintergrund jedes einzelnen Passagiers so genau durchstöbert werden, dass man ihm sicher auf die Spur käme. Würde er seine beiden Gefährten jemals wiedersehen? Sie hatten während der Reise kein Wort gewechselt, eine Kommunikation war nur im Notfall erlaubt. Mouni trank die letzten Tropfen seines Juice, lutschte das Eis eine Weile und spuckte es dann zurück ins Glas, als plötzlich aus den Lautsprechern eine Durchsage in Englisch zu hören war, die Stimme klang angespannt: »Wir erreichen in wenigen Augenblicken Helsinki. Wir bitten alle Passagiere, das Schiffunverzüglich über das Garden Court Foyer auf Deck 4 zu verlassen. Wir bitten alle Passagiere, das Schiff unverzüglich über das Garden Court Foyer auf Deck 4 zu verlassen.«
Mouni sah die besorgten Mienen der Barkeeper und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Wurden auf Kreuzfahrtschiffen Rettungsübungen durchgeführt? Die »Pride of Britain« war auf ihrer Jungfernfahrt, vielleicht gehörte das dazu, vielleicht wusste auch die Mannschaft nichts von der Übung. Ihm fiel ein, dass man auf der anderen Seite den Kai für die Kreuzfahrtschiffe sah, er lief rasch quer durch das Restaurant.
Vor Schreck wich ihm das Blut aus dem Gesicht, als er auf dem Kai Polizeiautos, Transporter, Feuerwehren und eine Hunderte Meter lange Schlange von Bussen sah. Hatte man den Anschlag aufgedeckt? Das war die einzige Erklärung, zu einer Übung schickte man nicht ein derartiges Arsenal. Er musste handeln.
Mouni stürzte los zu den Aufzügen und hämmerte auf die Metallplatte; in dem Pfeil, der nach unten zeigte, leuchtete es rot auf. Beide Lifts fuhren abwärts, dann in die sechste Etage und wieder nach unten. Die Durchsage hatte ganz sicher auch den letzten Passagier auf die Beine gebracht. Mouni war gezwungen, die Treppen zu benutzen, das würde ihn etliche Minuten kosten, und er brauchte noch die Zugangskarte aus seiner Kabine.
Der Sprengstoff mußte von Hand gezündet werden. Und zwar jetzt sofort.
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Die Polizisten des Karhu-Kommandos warteten auf dem Kreuzfahrtkai von Hernesaari darauf, dass sich die Versorgungstür der »Pride of Britain« öffnete. Sie trugen feuerfestedunkelblaue Overalls und kugelsichere Westen, dunkle Helme mit Gesichtsschutz und Springerstiefel. Jeder Polizist war mit einer Glock-Pistole bewaffnet, die in einem Futteral am rechten Oberschenkel getragen wurde, ein Teil der Männer hatte zusätzlich eine Maschinenpistole der Marke Heckler & Koch MP5 A3 oder eine Pumpgun Remington 870. Die Polizisten der Gruppe, die dem Schiff am nächsten kauerten, hielten Schutzschilde, und die hinteren hatten Türrammen auf der Schulter.
Die Schäferhunde der Hundestaffel bellten, und die Männer der technischen Gruppe unterhielten sich leise, während der weiße Transporter des Terror-Bomben-Kommandos auf den Kai gefahren wurde. In seinem Laderaum wartete ein anderthalb Meter großer Bombenroboter mit sechs Rädern auf seinen Einsatz.
Der Kreuzfahrtkai von Hernesaari war ein etwa zweihundert Meter langer, mit einem Maschendrahtzaun umgebener Streifen Asphalt, über den der Seewind pausenlos wehte. In der Regel legten die großen Kreuzfahrtschiffe für einige Stunden am Kai an, manchmal auch für einen Tag, damit die Touristen die Stadt kennenlernen konnten, aber die »Pride of Britain« auf ihrer Jungfernfahrt sollte nur haltmachen, um die Vorräte aufzufüllen.
»Die Passagiere werden also mit Bussen ins
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