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Finnischer Tango - Roman

Finnischer Tango - Roman

Titel: Finnischer Tango - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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»Der Schluckspecht. Ballantines preferae , gehört zur Familie der Trinkfreudigen, ist im Lauf der Evolution aus dem Blaukarpfen entstanden. Und daneben sehen wir das absolute Meisterwerk, den Schnorrsittich, Gaunerus chamarocicus , ein entfernter Verwandter des Kuckucks, die niedrigste Unterart der Rückgratlosen. Wandert zuweilen in Schluckspechtschwärmen mit.«
    Ratamo lachte und trank sein Bier aus. »Es ist vermutlich besser, wenn ich gehe, bevor ich auch so richtig gut in Stimmung komme. Morgen ist ein harter Tag.«
    Aalto murrte enttäuscht, verschwand für einen Augenblick und kehrte dann mit einem zehn Liter fassenden Plastikeimer zurück, der vor rohem Elchfleisch fast überquoll.
    Ratamo trat hinaus, es war eisig kalt und schneite so heftig, dass man kaum etwas sah. Er stellte den Eimer auf den Boden vor dem Beifahrersitz, wischte den Schnee vom Auto und musste dabei gähnen. Es würde aber noch Stunden dauern, bis er in sein Bett käme, das ärgerte ihn, denn ausgerechnet jetzt war er müde und könnte vielleicht endlich mal richtig schlafen. Aber es half nichts, die Fleischklumpen mussten zerteilt und noch heute abend eingefroren werden.
    Die Räder mit den Sommerreifen drehten eine Weile durch, bis sie auf eine Stelle mit Streusand trafen, dann ruckte das Auto an. Es machte ihn wütend, dass er manchmal einfach nichts zustande brachte. Nur ein Idiot fuhr bei solchem Wetter mit Sommerreifen: In dem dichten Schneetreiben war die Sicht fast gleich null.
    Auf den vereisten und mit Schnee bedeckten Straßen bewegte sich sein Wagen wie auf Teflon. Ratamo fuhr höchstens siebzig und versuchte seinen Käfer von allen anderen Fahrzeugen fernzuhalten.
    In Helsinki wunderte sich Ratamo am Ende des Länsiväylä, wo die Ampeln von Ruoholahti blieben. Er kniff die Augen zusammen, beugte sich zur Windschutzscheibe vor und versuchte zwischen den hin- und herrauschenden Scheibenwischern und dem dichten Schneevorhang irgend eine vertraute Landmarke zu erkennen. Dann sah er plötzlich die rote Ampel: Bis zur Kreuzung waren es nur noch ein paar Meter. Er trat bei einem Tempo von sechzig das Bremspedal durch, und der VW rutschte zur Seite wie einStein auf einer Curling-Bahn. Der Fahrer wurde zum Fahrgast, als sich der Käfer um seine Achse drehte. Ratamo sah, wie der Rand der Verkehrsinsel rasend schnell auf ihn zukam, dann krachte es, und Ratamo fühlte irgendetwas Feuchtes und Warmes auf seinen Armen – Elchfleisch.
    Zum Glück tat nichts weh, aber das Auto hatte garantiert gelitten. Ratamo schaute sich um und bemerkte, dass die vorbeifahrenden Autos ihre Geschwindigkeit verringerten. Eines hielt fast neben ihm an, der Fahrer starrte neugierig zu ihm herüber und tippte etwas in sein Handy ein. Plötzlich riß eine Passantin, die vom Fußweg der Porkkalankatu aufgetaucht war, die Tür des Volkswagens auf.
    »Ist alles in Ordnung?«, konnte die Frau gerade noch fragen, bevor sie die überall herumliegenden Fleischklumpen sah, einen Schrei ausstieß und wegrannte.

SONNTAG
10
    »Da ist unser drittes Opfer«, sagte Turan Zana und berührte mit der Nasenspitze fast die Fensterscheibe der Beratungsstelle »Tip« für Drogenabhängige im Stadtteil Kallio.
    »Genau, mein Bruder, sie muss noch heute sterben«, antwortete er sich selbst und beobachtete dabei, wie eine etwa zwanzigjährige kahlköpfige Frau in Jeans und einem schmutzigen Parka Nadeln und Spritzen in die Tasche steckte.
    Die Zielperson war gewissenhaft ausgewählt worden: Die bei ihren Eltern wohnende Studentin gab sich die Spritze meist morgens entweder an den Felsen hinter dem Stadttheater oder bei starkem Frost irgendwo in deren Nähe, an jedem beliebigen Ort, der warm war und zu dem sie gerade Zugang fand. Die kurdischen Helfer Zanas hatten in den letzten Tagen drei Opfer mit viel Sorgfalt ausgewählt: Es handelte sich um Junkies, die Heroin von Kirilow gekauft hatten, ihren Stoff allein nahmen und auf öffentlichen Plätzen fixten. Zana hatte nicht die Zeit, sich um alle drei Opfer selbst zu kümmern, also durften seine Helfer die beiden anderen töten.
    Er überquerte die Toinen linja und bezog seinen Beobachtungsposten hinter der schwarzen Mauer, die den Vorhof des Behördengebäudes schützte. Die Metallplatten an der Fassade des Hauses der Beratungsstelle waren so stark oxydiert, dass sie verschimmelt aussahen.
    Die drogensüchtige junge Frau dürfte ziemlich genauso alt sein wie er zu der Zeit, als sich alles geändert hatte, überlegteZana. Er war ein

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