Finnischer Tango - Roman
dass Eevas Vater tatsächlich die Luger gestohlen worden war. Arvo Hallamaa hatte versprochen, die Seriennummer irgendwie zu finden. Wenn sie nicht mit der Nummer der Mordwaffe übereinstimmte, wäre die ganze Pistole bedeutungslos. Er dachte an den vergangenen Abend, und das tat gut. Das Essen und der Abend bei Marketta waren angenehm verlaufen, und Ilona hatte sogar die Nacht bei ihm verbracht. Zum ersten Mal hatte wieder eine Frau in seinem Bett geschlafen, seit die Beziehung mit Riitta vor über zwei Jahren zu Ende gegangen war, überlegte Ratamo und warf Riitta Kuurma einen Blick zu.
»Hat die Chefin übrigens schon entschieden, welche befristeten Stellen zum Jahreswechsel in feste umgewandelt werden?«, erkundigte sich Wrede.
»Nein.« Ulla Palosuos Augenringe und ihr angespannter Gesichtsausdruck verrieten, dass sie unter Stress stand. »Wollen wir nicht gleich anfangen, Riitta hat versprochen, über diese Organisation Takfir zu berichten. Ich bin etwas in Eile. Mit Jukka Liimatta zusammen habe ich etwas … zu erledigen«, sagte die Chefin und klopfte auf ihrer Frisur herum; ihre Hände reichten gerade bis zum Gipfel der Haartracht.
Ratamo schaute sich prüfend in Ketonens ehemaligem Zimmer um und überlegte, was Palosuo an der Einrichtungalles geändert hatte: Der Tresor, dessen Farbe an Preiselbeerpudding erinnerte, der Schreibtisch und die Tischlampe waren noch die alten, aber die beigefarbene Sofagarnitur, der dunkelblaue Wollteppich und die Topfpflanzen, die überall wucherten, gaben dem Zimmer die Handschrift der neuen Chefin. In der Kantine hatte er gehört, dass der Raum nun »Dschungel« genannt wurde. Wann würde jemand auf die Idee kommen, Ulla Palosuo als Herrscherin über den Dschungel zu bezeichnen? Jane würde sie wohl kaum jemand nennen.
Riitta räusperte sich und begann. »Ich habe gestern neues Material aus England vom MI 5 erhalten. Ich kenne eine ihrer Analytikerinnen, Melissa Tufton. Wir haben uns bei Europol kennengelernt, deshalb bekomme ich Informationen von ihr, und zwar etwas leichter als sonst«, erklärte sie stolz. »Es ist eindeutig etwas im Gange. Wassili Arbamow hat Carlos Candelaria, der in der Terrororganisation Takfir wal Hijra für die Operationen in Europa zuständig ist, im letzten Jahr viermal getroffen. Candelaria benutzt heute den Namen Umar Hussain. Außerdem arbeitet der Marokkaner Jamal Tagmouti, den der MI 5 mit Umar in Verbindung bringt, derzeit in Petersburg in Arbamows Bank.«
»Das hätte man sich ja denken können«, schimpfte Wrede. »Heutzutage stellt sich aber auch bei jeder Ermittlung heraus, dass die Kameltreiber dahinterstecken.«
Riitta Kuurma schaute nicht von ihren Unterlagen auf, sie hatte heute nicht die Absicht, sich mit dem Schotten anzulegen.
»Carlos Candelaria. Der Name hört sich nicht sehr islamisch an.« Ratamo dachte laut nach.
»Der Mann ist Spanier. Deswegen hat er auch die Verantwortung für die Operationen von Takfir in Europa erhalten: Spanien ist schon seit Anfang der neunziger Jahre der Stützpunkt des extrem-islamistischen Terrorismus in Europa, beiüber einer Million Moslems können die arabischen Terroristen leicht untertauchen.«
Ulla Palosuo sah ungeduldig aus. »Berichte über diese Organisation Takfir.«
»Der Name Takfir wal Hijra bedeutet ›Exkommunikation und Exil‹ oder ›Mit dem Bann belegen und vertreiben‹. Dieses Netzwerk von Terrorgruppen ist noch brutaler als Al-Kaida«, sagte Riitta Kuurma und fand die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Kollegen.
Sie berichtete, dass Takfir schon 1981 an dem Attentat auf den ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat beteiligt gewesen war. Man nahm an, dass die Organisation 1996 im Sudan sogar versucht hat, Osama Bin Laden zu ermorden. Mehrere Täter der Anschläge vom 11. September waren Mitglieder von Takfir, und die Organisation hatte auch Anschläge auf viele Ziele in Europa geplant: auf die US-Botschaft in Paris, das Gipfeltreffen der G8-Staaten in Genf, den Flughafen von Heathrow und die US-Luftwaffenbasis Inc˛irlik in der Türkei.«
Wrede nickte und trank einen Schluck Mineralwasser. »Takfir, Al-Kaida … die Namen wechseln, aber das sind alles die gleichen Killer.«
»Mach weiter, Riitta«, befahl Ulla Palosuo und warf dem Schotten einen wütenden Blick zu.
»Theologisch gesehen, ist Takfir ein extremer Ausläufer der saudi-arabischen Wahhabiten, es …«
»Von was?«, erkundigte sich Ratamo interessiert.
»Die Ideologie der Wahhabiten entstand Ende des 18.
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