Finnischer Tango - Roman
massive Eckturm von Ratamos Haus reckte sich gen Himmel wie der drohend erhobene Zeigefinger eines Anklägers. Warum hatte sie behauptet, Adil nicht zu kennen; sie verstand selbst nicht, warum sie Arto belogen hatte. Wenn das herauskam, würde Ratamo ihr nie mehr vertrauen. Dazu durfte es aber nicht kommen, in ihrer Lage war ein Freund wie Arto Gold wert. Sie musste ihm unbedingt die Wahrheit sagen, beschloss Eeva und überlegte, warum Ratamo überhaupt nach Adil gefragt haben könnte. Adil hatte doch nie irgendjemandem etwas zuleide getan, der Mann war wahrhaftig ein Heiliger. Doch vermutlich musste die Polizei bei solchen Ermittlungen versuchen, alle möglichen Hintergründe zu untersuchen.
In der Jääkärinkatu wurden Eevas Gedankengänge unterbrochen, als sie sah, wie jemand durch die Tür in Mikkos Fotoatelier hineinhuschte. Sah sie Gespenster? Mikko hatte doch gesagt, er müsse zum Fotografieren nach Porkkalanniemi. Er hatte sie doch wohl nicht angelogen?
Eeva beschleunigte ihre Schritte. Im Fotoatelier war es dunkel. Sie drückte ihr Gesicht fast an die Scheibe, sah aber durch die Lücken in der Jalousie keine Bewegung und auch sonst nichts. Die Tür war ja wohl verschlossen? Sie zog an der Klinke und wäre fast hintenüber gefallen, als die Tür mit einem Ruck aufflog. Im selben Augenblick packte sie jemand an den Handgelenken und riss sie in den stockdunklen Raum. Die Tür fiel ins Schloss. Gitarrenmusik erklang.Eeva erkannte sofort, dass es Mikkos Platte mit Titeln von Alexandre Lagoya war.
Die Deckenbeleuchtung ging an, und Eeva erschrak, als sie das fleckige Gesicht des Türken sah. Vor Angst wich ihr das Blut aus dem Kopf, würde jetzt so etwas passieren wie vor zwei Tagen in ihrer Wohnung? Die Gehilfen des Türken standen an der Tür und rührten sich nicht. Dann fiel Eevas Blick auf den schwarzen Vorhang mitten in dem Raum, der das Büro vom Atelierbereich trennte. Ihre Angst wurde noch größer. Mikko zog den Vorhang nur zu, wenn er im Atelier fotografierte. Und warum stand mitten im Büro eine Kamera auf einem Stativ?
»So trifft man sich wieder, willkommen«, sagte Turan Zana und strahlte. »Bevor ich zur Sache komme, würde ich Sie um einen kleinen Gefallen bitten. Ich möchte sehr gern ein paar Fotos als Erinnerung an dieses Treffen. Könnten Sie sich freundlicherweise vor diesen Vorhang stellen.«
Eevas Gehirn streikte. Was, um Himmels willen, war hier im Gange? »Was wollen Sie? Ich habe nicht vor, den Clown zu spielen …«
»Zwingen Sie mich nicht, Ihnen wegen so einer Kleinigkeit zu drohen.« Zana wies auf seine Männer. »Wir wollen das schnell erledigen, dann kommen wir zur Sache.«
Eeva zögerte immer noch, doch ihr fiel kein einziger vernünftiger Grund ein, warum sie dem Türken nicht den Gefallen tun sollte. Schließlich begriff auch sie, dass man einen Killer bei guter Laune halten musste. Sie ging langsam zu dem Vorhang, stellte sich davor und blickte abwechselnd auf den Türken und seine Gehilfen. Das immer schneller werdende Gitarrensolo von Lagoya hörte sich jetzt anders an als vorher.
»Schauen Sie in die Kamera, bis ich mit den Aufnahmen fertig bin. Ich mache gleich mehrere Bilder«, erklärte Zana, während er an der Kamera hantierte. Einer seiner Helferstand jetzt neben dem Vorhang, und der andere blieb an der Tür. Die Stimmung glich der vor einem Gewitter.
Für einen Augenblick war Eeva geblendet, als die Studiolampen aufleuchteten, sie hörte, wie der Vorhang aufgezogen wurde, dann klickte die Kamera und schoss fünf Bilder pro Sekunde. Sie kniff ein paarmal die Augen zusammen und drehte sich um.
Eeva entfuhr ein Aufschrei, als sie die Leiche eines nackten Mannes erblickte, die an einen Stuhl gefesselt war. Entsetzt wandte sie sich ab.
»Sie fragen sich bestimmt, was das alles soll.« Zana hörte sich nicht mehr höflich an.
»Das ist … abartig«, sagte Eeva und schluckte.
»In diesem elektrischen Stuhl Marke Eigenbau sitzt German Dworkin, er ist der Nachfolger Ihres … Bekannten Arkadi Kirilow hier in Helsinki. Oder genauer gesagt, er war es. Wir haben uns also gerade ein paar zusätzliche Beweise gegen Sie verschafft. Ich hatte Sie ja gewarnt.«
Eeva hielt die Hand vor den Mund und taumelte langsam in Richtung Tür, bis sich ihr einer der Helfer des Türken in den Weg stellte.
»Die Fotos beweisen, dass sie hier am Tatort waren, und die Polizei hat sonst keinen Verdächtigen«, sagte Zana. »Ich und meine Männer sind auf den Fotos natürlich nicht zu
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