Finnischer Tango - Roman
ist jetzt nicht der richtige Augenblick.« Renata schob die Hände weg, die sich ihren Brüsten näherten.
»Na dann, mach dich an die Arbeit. In meinem Arbeitszimmer wirst du diesen Erpresser wohl kaum finden.«
Nachdem Renata gegangen war, brauchte Arbamow etliche Minuten, bis er sich beruhigt hatte. Er schaltete den Fernseher ein und suchte einen Kanal, auf dem Fußball gezeigt wurde. Libyen gegen Tunesien, na toll.
Er war immer noch nicht bereit, den Einstieg in dieses Heroingeschäft zu bereuen. Vor Jahren hatte er erfolgreich Amphetamin nach Europa eingeführt und damit ohne große Mühe viel Geld eingenommen. Aber eben nicht genug, der Markt für Amphetamin war begrenzt und der Preis ziemlich niedrig. Mit dem Heroin hingegen würde er im Laufe eines halben oder ganzen Jahres so viel Dollar verdienen, dass er nach London ziehen und sich ausschließlich auf legale Geschäfte konzentrieren könnte. Die laufende Operation würde sein letzter Ausflug auf die verkehrte Seite des Gesetzes sein. Man war gezwungen, im Leben auch etwas zu riskieren.
Arbamow hatte Angst, das musste er sich eingestehen. Eine Rückkehr ins Kresty kam als Alternative nicht in Frage, dieses Gefängnis wollte er nie wieder von innen sehen. Ein paar vertraute Zeilen eines Gedichtes kamen ihm in den Sinn und ließen sich nicht verdrängen, es war der einzige Vers, den er auswendig konnte. Darin sprach die große Petersburger Dichterin Anna Achmatowa vom Kresty. Zu jener Zeit galt es als Symbol für die Unterdrückung in der Sowjetunion, und jetzt war es ein Machtinstrument Putins.
Wie die Pappel schwankt, die geblendete,
Und kein Laut – doch wie viele dort,
Deren Leben schuldlos sich endete …
23
German Dworkins glasige Augen starrten zum Himmel, aber der tote Mann sah und hörte die Hochspannungsleitung und das Rauschen des Stromes nicht. Turan Zanas kurdische Gehilfen hielten in Vantaa auf einem kleinen, von kahlen Birken gesäumten Weg in Kartanonkoski Dworkins Leiche an den Armen und Beinen und versuchten ihr Gesicht vor dem Schnee zu schützen, den der Wind durch die Luft wirbelte.
Zana stand daneben und strich sich über die Wangen, nach dem Rasieren war die Haut empfindlich. Er überlegte, ob er an alles gedacht hatte. Es war wahnsinnig mühsam gewesen, Dworkin nach Adils Drehbuch umzubringen: Sie mussten den Russen aus dem Strand-Hotel entführen, den elektrischen Stuhl bauen, die Videoaufnahmen in dem Fotoatelier vorbereiten, und jetzt auch das noch. Aber er beklagte sich nicht, Adil wusste, warum alles genau so getan werden musste, und das genügte.
»Wir lassen ihn hier unter der Stromleitung liegen«, befahl Zana seinen Kameraden, und die Leiche fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den vereisten Boden.
Er schob seine Finger zwischen Dworkins Zähne und drückte die Kiefer auseinander. Die Leiche wurde schon steif, die Milchsäure, die sich in Dworkins Muskeln gebildet hatte, während er sich wehrte, beschleunigte die Totenstarre. Zana hatte einmal gesehen, wie die Leiche einer Peschmerga-Kameradin nach stundenlanger Flucht vor türkischen Soldaten innerhalb von ein paar Dutzend Minutensteif geworden war, nachdem die Türken sie erschossen hatten.
Er steckte dem Russen vorsichtig einen Beutel mit zehn Gramm Heroin in den Mund, es war der gleiche von Arbamows Leuten verteilte Stoff, den die Polizei bei Kirilow gefunden hatte und mit dem man gestern überall in Europa Drogensüchtige getötet hatte.
»Der doppelköpfige russische Adler ist abgestürzt«, murmelte er.
»Genau so ist es, mein Bruder. Kirilow und Dworkin.«
Die kurdischen Helfer warfen verstohlen einen Blick auf ihren Chef, der Selbstgespräche führte.
»Auch der hat ja wohl einen weisen Spruch verdient«, sagte Zana zu seinen Gehilfen, ohne eine Antwort zu erwarten. »Die Armut erzeugt den Wunsch, etwas zu ändern, den Wunsch, zu handeln, und den Wunsch nach der Revolution.«
Im selben Augenblick hörte man irgendwo in der Nähe ein Kind jauchzen, Zana sah zwei kleine Jungen, die mit Skiern den Hügel hinunterfuhren und auf sie zukamen. Er knurrte einen Befehl, wandte sich um und ging zu dem Transporter.
Die Behörden würden aus Dworkins Tod nicht schlau werden, überlegte Zana, als sie sich in die Fahrerkabine des Ford Transit zwängten. Dass Dworkin nicht hier gestorben war, könnten die Ermittler schnell herausfinden, aber diese Erkenntnis würde der Polizei auch nicht weiterhelfen. Es sei denn, er schickte den Behörden die Bilder, die er in
Weitere Kostenlose Bücher