Finnisches Blut
in Ordnung, da die Sache ja in eure Zuständigkeit fällt. Ich teile das erst mal vorläufig dem Polizeichef mit und bitte ihn, eine stille Fahndung nach Ratamo einzuleiten.«
|86| »Vielen Dank. Ich werde Pekka Vairiala, den Chef der Aufklärungsabteilung, beauftragen, sich um die praktischen Dinge zu kümmern. Mach’s gut«, sagte Siren.
Der erste Akt hatte wunschgemäß geklappt. Als nächstes war Vairiala an der Reihe. Siren fühlte, wie er sich ein wenig entspannte. Er ging im Kopf noch einmal seinen Rollentext durch, bat seine Sekretärin, Kaffee zu bringen, und griff zum Telefonhörer.
»Entschuldige, Pekka, daß ich nicht um acht wie vereinbart da war. In dieser Sache mit dem Virus hat es eine wirklich überraschende Wendung gegeben. Kannst du sofort zu mir kommen?«
»Bin schon unterwegs.«
Vairiala und der Kaffee kamen gleichzeitig. Siren beobachtete seinen Mitarbeiter, während die Sekretärin die Tassen hinstellte. Vairiala trug wie üblich Zivilkleidung. Der abgewetzte graue Anzug hing an dem mageren Mann wie eine Zeltbahn. Siren fragte sich, ob Vairiala sein Geld wohl für irgendeine Sünde verschwendete oder einfach nur geizig war.
Siren hatte nicht lange überlegen müssen, wen er bei dieser Probe seines Könnens als Helfer einspannen sollte. Vairiala war ein ehrgeiziger und effizienter Soldat, der keine individuellen Lösungen anstrebte. Siren konnte Vairiala ausnutzen, wenn es ihm gelänge, den Mann mit seiner Geschichte zu überzeugen. Das wäre nicht einfach. Vairiala durfte keinerlei Verdacht schöpfen. Wenn er die Chance erhielte, einen Aufklärungsprofi, der über mehr Erfahrung verfügte als er, aus dem Weg zu räumen und dadurch selbst befördert zu werden, würde er nicht zögern. Dafür gab es schon Beweise. Siren hätte es gern vermieden, die Laufbahn seines Kollegen zu zerstören, aber ein Bauernopfer mußte es in diesem Kampf geben.
|87| Vairiala war in Rekordzeit zum zweitwichtigsten Mann in der Aufklärungsabteilung aufgestiegen und Oberst geworden. Zum Chef der Aufklärungsabteilung und Brigadegeneral hatte man ihn gemacht, da war er noch nicht mal vierzig. Siren selbst hatte ihn vor zwei Jahren für diese Aufgabe ausgewählt. Vairiala wußte das und fühlte sich ihm zu Dank verpflichtet.
Das Porzellan klirrte, als Siren seine Tasse abstellte und den zweiten Akt eröffnete. Mit schockierter Miene berichtete er Vairiala von den Morden an Eero Manneraho und Kaisa Ratamo und von Arto Ratamos Verschwinden.
Vairiala war mit so viel Eifer bei der Sache, daß er sich beinahe seinen Kaffee auf die Hose geschüttet hätte. Enthusiastisch erkundigte er sich nach Einzelheiten der Morde. Siren erzählte ihm seine Version und sagte, er habe die Informationen direkt vom Leiter der Abteilung Polizei im Innenministerium erhalten, die technischen Untersuchungen seien allerdings noch im Gange. Zum Schluß wollte er wissen, was Vairialas Meinung nach passiert sei. Er hoffte, daß es ihm gelungen war, seinen Untergebenen in die gewünschte Richtung zu lenken.
Vairiala strich eine geraume Weile nervös über seine Glatze. Plötzlich klärte sich seine Miene auf: »Ratamo ist jetzt der einzige, der die Formel des Gegenmittels auswendig kennt. Und Blut mit Ebola-Viren könnte er sich auch besorgen. Um Himmels willen, der Mann ist ja …«
Siren nahm die Zügel in die Hand: »Ruf deine Leute an, und gib ihnen den Befehl, die Röhrchen mit dem Ebola-Blut aus der EELA zu holen. Und schicke jemanden hin, der die Computerprogramme durchgeht und sicherstellt, daß die Formel für das Gegenmittel nirgendwo zu finden ist. Ja, und Ratamos Zimmer muß durchsucht werden.«
»Wäre es nicht einfacher, zwei Polizisten in Uniform anzufordern |88| und die Röhrchen dort bewachen zu lassen?« schlug Vairiala vor.
»Zwei Schutzmänner sollen ein Killer-Virus bewachen! Diese Röhrchen mit allem, was dazugehört, werden hierher in die Gefriertruhe gebracht, und zwar auf der Stelle!« brüllte Siren. Vairiala begriff, daß darüber nicht diskutiert wurde.
Am Telefon erteilte er seinen Männern Befehle. Er sprach schnell und präzise. Als er das Gespräch beendete, lehnte sich Siren auf seinem Sessel zurück und verlieh seinem Gesicht einen besorgten Ausdruck. Er mußte den Handlungsfaden, den er sich ausgedacht hatte, weiterspinnen und bis zum Ende glaubwürdig bleiben. «Ich habe vorhin mit Ketonen gesprochen«, sagte er.
Vairiala wirkte sofort beunruhigt, als er Ketonens Namen hörte. Er war sich vollkommen
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