Finnisches Blut
jedesmal, wenn ihr ein neuer Unterschied einfiel, noch fröhlicher.
Ratamo mußte lachen. Die ungetrübte Freude, die das Kind empfand, wenn es ein Rätsel lösen konnte, war seiner Ansicht nach etwas Schönes und Lustiges.
»Ziemlich gut geantwortet. Aber Vatis Lösung lautet: Einen Elefanten kann man nicht in Kakao eintunken.«
»Na ja, das ist auch eine ganz gute Antwort«, entschied Nelli resolut.
Kaisa zog sich die Decke vom Kopf und schaute ihren Mann an. »Hast du gestern alles erledigt?«
»Ja. Ich habe meine und Nellis Sachen gepackt.«
»Du hast doch hoffentlich ein paar ordentliche Sachen dabei, die du anziehen kannst, wenn die Gäste kommen?«
Ratamo schnaufte. Er hatte nicht die Absicht, sich in seiner eigenen Sommerhütte bloß wegen Kaisas Yuppie-Gästen in Schale zu werfen. »Gleich nach dem Frühstück bin ich abfahrbereit. Mal sehen, wie lange du brauchst, bis du in einem vorzeigbaren Zustand bist.«
»Wie spät ist es?«
»Drei Viertel acht. Ich geh jetzt Frühstück machen.« Ratamo hob Nelli an den Armen hoch in die Luft und sorgte so für eine neue Lachsalve.
|78| 14
Kaisa Ratamos Auto mußte jeden Augenblick am Ausgang zur Pietarinkatu erscheinen. Siren ließ das Tor nicht aus den Augen, auf der Straße herrschte dichtes Gedränge, der Berufsverkehr lief auf vollen Touren. Er trommelte aggressiv auf dem Lenkrad des Autos seiner Frau. Nicht einmal das schicksalhafte Finale der Ersten Sinfonie von Sibelius konnte seine Anspannung und Nervosität lindern.
Es war acht Uhr zweiundzwanzig am Donnerstagmorgen, und Siren wartete schon knapp eine Stunde sehnlichst darauf, daß der VW-Golf endlich auftauchte. Nach dem Bericht, den er von der Sicherheitsabteilung angefordert hatte, traf Frau Ratamo ausnahmslos spätestens halb neun an ihrem Arbeitsplatz in der Chirurgischen Klinik ein. Da sich der Kindergarten ihrer Tochter in Taka-Töölö befand, hatte Siren ausgerechnet, daß sie spätestens zehn vor acht zu Hause losfuhren.
Siren schien es so, als würde sich wieder einmal Murphys Gesetz bewahrheiten. Gerade als er die Chirurgische Klinik anrufen wollte, kam ein weißer Golf vom Innenhof des Hauses, bog rechts ab und ein paar Meter weiter noch einmal nach rechts auf die Kapteeninkatu.
Siren beugte sich vor und kniff die Augen zusammen, um die Autonummer zu erkennen. VSV-691. In dem Wagen saßen zwei Personen – eine Erwachsene und ein Kind. Alles war in Ordnung.
|79| Als die Digitaluhr seines Autos acht Uhr sechsundzwanzig anzeigte, stieg Siren aus. Er trug einen langen Popelinemantel, der bis oben zugeknöpft war, damit man die Uniform nicht sah. Ihm lief jetzt schon der Schweiß den Rücken hinunter.
Der Generalmajor trat an die Haustür der Kapteeninkatu 7A und holte denselben elektronischen Dietrich aus der Tasche wie in der Nacht zuvor. Einen Augenblick später öffnete er die Tür und ging in dem leeren Treppenhaus hinauf bis in die erste Etage.
Ratamo schluckte versehentlich Zahnpasta und verzog das Gesicht. Sorgfältig spülte er den Mund und trank danach etwas Wasser. Nach dem Aufstehen hatte er sich vergewissert, daß er am Vorabend in seinem angetrunkenen Zustand auch wirklich alle Sachen Nellis eingepackt hatte. Dann hatte er für seine Familie ein kräftiges Frühstück vorbereitet, aß aber selbst nur ein Butterbrot und trank eine große Tasse schwarzen Kaffee. Früh hatte er nur selten Appetit.
Kaisas Mutter war gerade mit Nelli losgefahren. Ratamo hatte seiner Schwiegermutter geholfen und Nellis Tasche zu Kaisas Auto getragen. Er hatte sich noch eine Weile mit Marketta unterhalten und ihr dafür gedankt, daß sie einmal mehr bereit war, auf Nelli aufzupassen. Wieder wunderte er sich, wie unterschiedlich Marketta Julin und ihre Tochter waren.
Ratamo ging ins Schlafzimmer und suchte in dem Durcheinander von Kleidungsstücken und anderen Sachen vergeblich nach den Autoschlüsseln. Sie mußten in der Küche sein.
Siren traf in der ersten Etage ein. Die Wohnungstür der Ratamos besaß nur ein normales Schloß der Firma Abloy. Der Hauseigentümer hielt es vermutlich für einbruchsicher und hatte weder ein zusätzliches Schloß noch eine Kette einbauen lassen. Siren öffnete mit dem Dietrich die Tür und betrat den |80| Flur, die Pistole in der Hand. Diesmal hatte er beschlossen, nicht zu klingeln. Er stand da und lauschte. Rechts in dem Zimmer, das teilweise zu sehen war, brodelte eine Kaffeemaschine. Plötzlich bemerkte er, daß Arto Ratamo links von ihm im Flur stand.
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