Finnisches Blut
wissen mußten.
Jetzt war Siren an der Reihe, aufzustehen. »Diese Angelegenheit muß absolut geheim bleiben. Ganz Finnland gerät sofort in Panik, wenn die Medien berichten, daß sich in Helsinki ein Doppelmörder herumtreibt, der Ebola-Blut besitzt. Ich informiere kurz den Kommandeur der Streitkräfte und den Generalstabschef. Dem Leiter der Abteilung Polizei habe ich so viel erzählt, daß er dir die volle Unterstützung der Kriminalpolizei zugesagt hat. Es läuft eine stille Fahndung nach Ratamo. Die Einzelheiten mußt du mit dem Polizeichef vereinbaren. Anderen Außenstehenden sagst du nichts.«
Vairiala saß mit ernster Miene da und nickte.
Siren wollte noch wissen, ob Vairiala bereit wäre, Ratamo zu töten. Er goß seinem Gast Kaffee nach und fragte fast beiläufig, ob Vairiala die Eliminierung Ratamos als Überschreitung der Befugnisse seiner Abteilung ansehen würde.
Die Antwort kam stockend. In Friedenszeiten habe die Aufklärungsabteilung nicht ausdrücklich das Recht, jemanden zu töten, aber ihre Aufgabe bestand darin, eine militärische Bedrohung Finnlands von innen oder außen in extremen Situationen mit allen Mitteln abzuwenden. Normalerweise wurde bei Fällen von Spionage und Verrat der Verdächtigte dem Gericht übergeben. Die Anklage lautete dann: Spionage, Verrat von Staatsgeheimnissen oder ein anderes Verbrechen, um das es sich im jeweiligen Fall handelte. Vairiala war der Auffassung, daß man jedoch gerade in der jetzigen Situation die Genehmigung zum Töten gebraucht hätte. Ratamo habe sich als unzuverlässig erwiesen und könnte auch weiterhin jederzeit die Formel für das Gegenmittel verkaufen oder möglicherweise die |92| Röhrchen mit dem Ebola-Blut stehlen. Und selbst wenn er kein finnisches Ebola-Blut besäße, könnte es anderswo zugänglich sein, beispielsweise auf den Philippinen. Das Viruspaket würde in der Zukunft genauso töten wie jetzt. Und es würde sowohl Finnen als auch andere töten. Selbst wenn man Ratamo nicht einfach so liquidieren könnte, sollte doch die Schwelle für den Waffengebrauch bei der Verhaftung des Mannes niedrig sein. Immerhin hatte der Wissenschaftler schon zwei Menschen brutal getötet.
»Diese Situation muß ehrenvoll gemeistert werden. Ich will nicht, daß man unseren Aufklärungsdienst als inkompetent brandmarkt«, sagte Vairiala zum Schluß.
Siren war mit der Antwort seines Untergebenen mehr als zufrieden. Er hätte ihm keine bessere diktieren können. Vielleicht würden Vairialas Männer ihm sogar die Arbeit abnehmen und Ratamo umbringen.
»Ich bin der gleichen Auffassung. Wir müssen Verantwortung übernehmen. Unsere Position verdanken wir der Tatsache, daß wir in Finnland die besten Männer für derartige Situationen sind und sie am besten meistern«, sagte Siren und legte dann noch nach: »Und es kann sein, daß Ketonen nicht mehr glaubt, die Nummer eins unter den Nachrichtenleuten in Finnland zu sein, wenn sich die Formel für das Gegenmittel und die Röhrchen mit dem Ebola-Killerblut in meiner Gewalt befinden. Vor allem dann, wenn ich ihm sage, daß du sie mir beschafft hast.«
»Eine gute Idee«, sagte Vairiala und strahlte.
Soso, eine gute Idee, dachte Siren amüsiert und mußte sich auf die Lippe beißen. Das Problem, das durch Ratamos Flucht entstanden war, hatte er jetzt im Griff. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn auch die Ermordung von Kaisa Ratamo oder Eero Manneraho mißlungen wäre.
|93| Siren schob seine graue Armeekrawatte zurecht.
»Du meldest es mir sofort, wenn Ratamo gefunden wird. Der Mann darf nicht verhört werden, bevor ich da bin«, er schaute Vairiala mit der Autorität des Vorgesetzten an.
Siren sah nicht, daß Vairiala beim Verlassen des Zimmers lächelte.
Noch ehe sich die Tür hinter Vairiala schloß, hatte Siren einen Deziliter Kognak hinuntergeschüttet. Er mußte schnell aus Finnland weg. Innerlich war er so am Boden, daß er schon Mühe hatte, Primitivreaktionen zu unterdrücken. In diesem Zustand war er nicht in der Lage, Siiri anzurufen. Er würde das dann tun, wenn der Streß nachließ.
|94| 16
Pekka Vairiala schaute durch das Fenster seines Zimmers hinüber auf die andere Seite der Fabianinkatu, wo auf dem Sandplatz der Schule Fußball gespielt wurde. Die Jungs schienen mit Freude und Begeisterung bei der Sache zu sein. Für ihn hingegen war der Sportunterricht in der Schule eine Demütigung gewesen. Der Lehrer hatte immer die zwei besten Spieler der Klasse die Mannschaften wählen
Weitere Kostenlose Bücher