Finnisches Blut
sowohl im Inland als auch im Ausland durchgeführt. Bei einem Gespräch in der Sauna war dem angetrunkenen Mann einmal herausgerutscht, daß er gern in Rente gehen würde, sobald es irgendwie möglich wäre. Diese Möglichkeit wollte Vairiala ihm gegebenenfalls andeuten. Er würde ihm versichern, die Angelegenheit so zu regeln, daß Parola seine volle Rente bekäme, vorausgesetzt, er führte diesen Auftrag tadellos und absolut zuverlässig aus.
Vairiala vergewisserte sich sofort bei Siren, daß er über Parola verfügen konnte, und bat danach Leppä, in sein Zimmer zu kommen. Er wollte zunächst mit jedem der beiden allein sprechen.
Ganz unten in seiner alten, abgewetzten Ledertasche fand sich ein Becher Pflaumenjoghurt. Für das Frühstück hatte Vairiala keine Zeit mehr gehabt, weil er zu lange im Internet gewesen war und den Anstieg der Kurse an der Börse von Tokio verfolgt hatte. Leppä erschien in der Tür, gerade als er sich die Mundwinkel abwischte.
Vairiala tat sein Möglichstes, um zu erreichen, daß die Männer ihren Auftrag freiwillig übernahmen. Das war unabdingbar, weil die Maßnahmen, die er plante, nicht mit den Dienstvorschriften übereinstimmten, und es könnte sein, daß die Männer unter Zwang Informationen preisgaben. Er sparte in seinem Bericht alles aus, was sie nicht unbedingt wissen mußten, und erzählte beiden, daß durch ihren Einsatz eine ernste militärische Bedrohung abgewendet werden sollte, die sogar zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen führen könnte. Siren sei über die Situation informiert, und man habe der Aufklärungsabteilung alle Vollmachten für die erforderlichen Maßnahmen erteilt. Der Auftrag sei absolut vertraulich, gegenüber Außenstehenden dürfe über den Fall kein Wort gesprochen |98| werden. Zum Schluß gab Vairiala zu verstehen, daß diese Operation für beide eine große persönliche Auszeichnung sei, und daß es auch andere Freiwillige gäbe, wenn sie den Auftrag ablehnten. Er hatte Erfolg. Beide Agenten hielten die Lage für so ernst, daß sie voller Eifer mit Handschlag annahmen. Vairiala brauchte bei Parola nicht einmal den Rentenköder blinken zu lassen.
Sie unterhielten sich noch eine Weile zu dritt über die Einzelheiten. Für die Planung blieb weniger Zeit als normalerweise, und die Sache mußte sofort in Angriff genommen werden. Das und die Tatsache, daß die Gruppe kleiner war, als es die Dienstvorschrift vorsah, führte zu Problemen. Nachdem eine Lösung gefunden war, verließen Leppä und Parola den Raum, um die erforderlichen Vorbereitungen zu treffen. Sie kamen gut miteinander aus und waren auch im Zivilleben Freunde.
Nun beginnt die Zeit des Wartens, dachte Vairiala. Er schob die Brille auf der Nase weiter nach unten. Jetzt mußte er Eila anrufen, weil er keine Zeit hatte, die Kinder aus dem Kindergarten abzuholen oder einzukaufen. Sonst bemühte sich Vairiala, die Lebensmitteleinkäufe für die Familie selbst zu erledigen, weil seine Frau dabei zuviel Geld verschwendete.
Er hatte das Gefühl, daß er die Umsetzung von Sirens Befehl auf effiziente Weise in Angriff genommen hatte. Dennoch war er nervöser als je zuvor in seiner ganzen Laufbahn.
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Ratamo irrte wie im Traum durch die Straßen und versuchte zu verstehen, was geschehen war. Erst als der Schock allmählich nachließ, konnte er wieder einigermaßen klar denken und begriff, daß er zur Polizei gehen mußte.
Die Entgegenkommenden wichen dem Mann aus, der vor sich hin starrte und alles andere gar nicht zur Kenntnis nahm. Das grüne T-Shirt hing über den braunen Jeans, und die Schnürsenkel der Schuhe waren offen. Ratamo näherte sich der Punanotkonkatu und dem Polizeigebäude von Kaartti. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was er der Polizei sagen sollte. Das schien alles keinen Sinn zu ergeben. Ein Mann im Popelinemantel war in ihre Küche gekommen und hatte Kaisa erschossen. Das war eine Tatsache. Aber warum wollte jemand sie umbringen?
Ratamo ging im Foyer des Polizeigebäudes zu dem Schalter, hinter dem der Diensthabende saß.
»Meine Frau ist erschossen worden.« Er stieß die Worte hervor und versuchte sein dunkles, kurzgeschnittenes Haar in Ordnung zu bringen.
»Bedauerlicherweise haben wir hier nur Abteilungen der Verwaltungspolizei. Gewaltverbrechen werden in der Regionalabteilung bearbeitet. Die befindet sich zwei Häuserblocks weiter, die Adresse lautet: Pieni Roobertinkatu 1–3. Bis dorthin sind es etwa zweihundert Meter«, sagte der Polizist mittleren
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