Finnisches Blut
nicht verhören.
»Seht zu, daß ihr dahin kommt, verdammich, und zwar ein bißchen plötzlich. Wo seid ihr?«
»Wir waren auf dem Weg nach Pasila, haben aber gewendet. Jetzt sind wir an der Kreuzung von Sturenkatu und Helsinginkatu. Wir brauchen noch reichlich fünf Minuten.«
»Holt Ratamo da raus. Ihr meldet euch sofort bei mir, wenn der Mann in eurem Auto ist. Ich rufe diesen Polizisten an und erkläre ihm die Lage. Wie heißt der?« fragte Vairiala.
»Wer?«
»Na der Kollege von der Kriminalpolizei, verdammt noch mal!« brüllte Vairiala.
|106| »Seppo Hämäläinen«, sagte Leppä und beendete das Gespräch.
Ohne den Hörer hinzulegen, tippte Vairiala die Nummer des Diensthabenden der Polizeistation in der Pieni Roobertinkatu ein und rief in das Telefon: »Hier ist Brigadegeneral Pekka Vairiala, Chef der Aufklärungsabteilung des Operativen Stabs der Streitkräfte. Bei Ihnen befindet sich ein Mann namens Seppo Hämäläinen von der Kriminalpolizei, der Arto Ratamo verhört. Holen Sie Hämäläinen ans Telefon, und zwar
sofort
!«
Vairiala klang so beeindruckend, daß der Diensthabende nicht einmal antwortete. Man hörte nur ein Krachen, als der Hörer auf den Tisch fiel. Der Polizist mußte hinauffahren und Hämäläinen in einen anderen, leerstehenden Raum auf dem Flur bringen, weil es im Verhörraum der zweiten Etage kein Telefon gab.
Danach rannte er zurück ins Erdgeschoß. Ohne ein Wort zu sagen, verband er Vairiala mit Hämäläinen, legte das Telefon auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Vairiala hörte ein unsicheres Hallo. Er fragte als erstes, ob Hämäläinen Arto Ratamo in seiner Gewalt hatte.
Der Kriminalkommissar bestätigte, daß er gerade begonnen hatte, Ratamo im Zusammenhang mit einem Gewaltverbrechen zu verhören, das am Morgen in der Kapteeninkatu begangen worden war. »Dieser Ratamo hat nicht nur in der Kapteeninkatu viel Schlimmes angestellt. Aus Gründen der nationalen Sicherheit darfst du das Verhör nicht weiterführen. Paß auf den Mann auf, bis unsere Jungs da sind. Wir wollen ihn vor euch verhören. Das ist mit dem Leiter der Abteilung Polizei im Ministerium abgesprochen. Wenn du willst, rufe ich im Anschluß den Polizeichef an, er kann meine Anweisung bestätigen«, rief Vairiala im Befehlston. Was Hämäläinen bis |107| dahin schon mit Ratamo gesprochen hatte, ließ sich nicht mehr ändern. Jetzt mußte verhindert werden, daß Ratamo noch mehr erzählte. Zum Glück schien es so, als wäre das Verhör erst am Anfang gewesen.
Hämäläinen erwiderte, ihm gegenüber habe niemand etwas von der Aufklärungsabteilung erwähnt, und er verstehe nicht, was der Mord an Kaisa Ratamo mit der nationalen Sicherheit zu tun haben könnte. Für den Fall sei die Kriminalpolizei zuständig, und man habe ihm befohlen, das zu übernehmen. Das Verhör wolle er nicht abbrechen, die ersten Stunden direkt nach dem Mord seien die allerwichtigsten, denn die Eindrücke der Zeugen wären dann noch ganz frisch.
Hämäläinens Widerspenstigkeit bewirkte, daß Vairialas Glatze rot wurde, er war es schließlich nicht gewöhnt, daß er seine Befehle begründen mußte. Wütend brüllte er ins Telefon, der Verhörte habe selbst seine Frau und wahrscheinlich auch Professor Manneraho umgebracht und sei eine Gefahr für die nationale Sicherheit, weil er versuchte, Staatsgeheimnisse zu verkaufen. Der Mann müsse im Zusammenhang mit einem Spionagefall sofort verhört werden. Erst danach bekäme die Polizei ihn zurück. Vairiala drohte Hämäläinen, er werde künftig Strafzettel wegen falschem Parken ausschreiben, wenn er nicht sofort das machte, was er ihm sagte.
Die Lage änderte sich, als Hämäläinen das Wort Staatsgeheimnis hörte. Er versicherte, Ratamo würde unverzüglich der Aufklärungsabteilung übergeben werden.
Vairiala lächelte so, daß sein Zahnfleisch zu sehen war. Und er hatte doch tatsächlich befürchtet, der Auftrag könnte für ihn mit einem Mißerfolg enden. Siren wäre überglücklich, wenn Ratamo schon ein paar Stunden nach seinem Befehl gefaßt wurde. Und er selbst bekäme eine neue Feder an seinen |108| Hut. Jetzt brauchte er nicht einmal mehr den Polizeichef anzurufen.
Mit einem Mausklick kehrte er zu den Börsenkursen zurück. Nokia war seit gestern schon vier Prozent gestiegen. Er überlegte, ob es sich bereits lohnte, alle Aktien zu verkaufen und das Geld in Zinsfonds oder kombinierten Fonds in Sicherheit zu bringen. Die Kurse der Technologieaktien schwankten so
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