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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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dich nicht für einen Augenblick zusammenreißt. Bitte, setz dich hin«, sagte der Kriminalist ganz sachlich.
    Ratamo zwang sich, ganz ruhig zu sein, und setzte sich wieder auf den unbequemen Stuhl.
    Der Mann nahm Ratamo gegenüber Platz. Er stellte sich als Kriminalkommissar Seppo Hämäläinen vor und sagte, er sei gekommen, um seine Aussage entgegenzunehmen. Ein wenig stotternd berichtete Hämäläinen, die zu Ratamos Wohnung geschickte Streife habe bestätigt, daß Kaisa Ratamo tot aufgefunden worden sei. Er brachte sein aufrichtiges Beileid zum Ausdruck, schaute Ratamo aber nicht in die Augen. Zwar verstehe er, wie schrecklich die Situation für Ratamo sei, |103| dennoch müsse er ihn bitten, jetzt sofort eine Aussage zu machen. Vom Standpunkt der Ermittlungen aus sei das wirklich wichtig, weil laut Statistik unmittelbar nach einem Verbrechen die Chance, die Schuldigen zu fassen, am größten sei.
    »Natürlich mach ich das. Rate mal spaßeshalber, ob ich will, daß diese Sache schnell aufgeklärt wird. Soll ich erzählen, was passiert ist, oder was willst du hören.«
    Hämäläinen begann mit der Frage nach seinen Personalien und bat ihn dann, die Ereignisse am Morgen zu schildern.
    »Also, ich wollte mit meiner Frau zusammen heute morgen aufs Land fahren. Wir hatten beide den Donnerstag und Freitag freigenommen, damit wir etwas länger bleiben konnten. Auf der Arbeit war so viel Streß, daß man sich ins Ferienhaus zurückziehen muß, um überhaupt noch ein Familienleben zu haben.« Er bemerkte, daß er aus alter Gewohnheit die Rolle eines Mannes spielte, der in einer glücklichen Ehe lebte. Zu seiner Überraschung empfand er Erleichterung, als ihm klar wurde, daß mit Kaisas Tod die Kulissen eingestürzt waren und er nicht mehr zu schauspielern brauchte.
    »Ich bin drei Viertel acht aufgewacht, als meine Tochter Nelli …«, Ratamo brach mitten im Satz ab. Erst jetzt begriff er, daß die arme Nelli ihre Mutter am Morgen das letzte Mal gesehen hatte. Wie sollte er seiner Tochter am besten erklären, daß ihre Mutter tot war? Als Kaisas Vater vor etwa drei Jahren starb, war Nelli noch zu jung gewesen, um zu verstehen, was geschah. Jetzt würde sie sich nicht mit der Erklärung zufrieden geben, daß die Mutter im Himmel war. Ratamo wußte genau, wie man das einem Kind nicht beibringen durfte. Er war damals nur ein wenig älter als Nelli gewesen, als sein Vater ihm wie einem Erwachsenen mitgeteilt hatte, daß Mutter eingeschlafen war und nie mehr nach Hause zurückkäme. Ratamo |104| erinnerte sich, daß er allein in seinem Zimmer stundenlang geweint hatte. Über die Mutter wurde danach kein Wort mehr gesprochen.
    Ratamos Gedankengang wurde unterbrochen, als ein Polizist in Uniform den Raum betrat, ohne anzuklopfen, und sagte, der Kommissar werde am Telefon verlangt.
    Hämäläinen glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, als er hörte, daß der Chef der Aufklärungsabteilung mit ihm sprechen wollte. Ihm war nicht klar, was der Brigadegeneral einem gewöhnlichen Kommissar zu sagen haben könnte.
    »Entschuldigung. Es dauert nicht lange«, sagte er und verließ den Raum.
    Ratamo wußte, daß die Aufklärungsabteilung der militärische Nachrichtendienst Finnlands war, denn die EELA mußte ihr Bericht erstatten, wenn auf dem Gebiet der Tierkrankheiten, Viren und Bakterien etwas gefunden wurde, was für militärische Zwecke verwendet werden könnte. Er fragte sich verwundert, was die Aufklärungsabteilung einem Kommissar, der einen Mord untersuchte und ihn verhörte, Eiliges mitteilen wollte. Hatte Manneraho der Aufklärungsabteilung schon von dem Gegenmittel erzählt? Seine Verwirrung wurde immer größer. Wie hatte der Killer das dann erfahren? Oder hing der Mord doch mit dem Ebola-Virus zusammen?

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    Vairiala beugte sich weit vor. Die sengende Sonne blendete trotz der weißen Vorhänge, so daß es schwierig war, den Text auf dem Monitor zu lesen. Er surfte auf den Börsenseiten, wurde aber vom Klingeln des Telefons unterbrochen.
    Der Anrufer war Leppä. Er hatte von der Polizei erfahren, daß sich Ratamo auf der Polizeistation in der Pieni Roobertinkatu befand, irgend jemand von der Abteilung für Gewaltverbrechen der Kriminalpolizei verhörte ihn gerade.
    Vairiala schnellte hoch, als hätte er eine Sprungfeder im Hintern, seine Brille rutschte auf die Nasenspitze. Wie war es möglich, daß Ratamo so schnell gefunden wurde. Er hatte noch nicht einmal den Polizeichef angerufen. Der Kommissar durfte Ratamo

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