Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
Vom Netzwerk:
Schlichterrolle und stellte sich zwischen Parola und Hämäläinen. »Ist Ratamo zu Fuß verschwunden? Hat jemand gesehen, in welche Richtung er gegangen ist?« fragte er.
    »Wahrscheinlich ist er direkt hier hinausgerannt. Ich bin noch nicht dazu gekommen, irgend jemanden zu befragen.«
    |117| Ratamo war verschwunden wie ein Kind im Spielzeugladen. Die Fahndung lief, also konnten Parola und Leppä nichts weiter tun, als zu warten. Sie warfen Hämäläinen wütende Blicke zu und gingen hinaus. Parola wäre um ein Haar mit einem Fahrradboten zusammengestoßen, der auf dem Fußweg Slalom fuhr, er fluchte laut und vernehmlich.
    »Rate mal spaßeshalber, ob General Bierernst vor Wut in den Teppich beißt, wenn er das erfährt«, sagte Leppä mit einem Stöhnen, während er sich auf den Beifahrersitz des Lada setzte, in dem es so warm war wie in einer Sauna.

|118| 21
    Das kürzlich renovierte Hauptquartier der Sicherheitspolizei in der Ratakatu 12 sah nach außen hin still und ruhig aus. Zusammen mit der Ratakatu 10 verbarg das über hundert Jahre alte Gebäude in seinem Inneren viele der bestgehüteten Geheimnisse Finnlands. Jussi Ketonen schaute aus der obersten, der vierten, Etage auf den Innenhof, wo immer noch das hundert Jahre alte Holzhaus eines Schmiedes stand. Er langweilte sich. Musti schlief in ihrem Rattankorb neben dem Schreibtisch und bewegte die Beine, als würde sie im Traum das Tempo beschleunigen.
    Die von Ketonen geführte Sicherheitspolizei trug die Verantwortung für die Abwehr und Untersuchung von Verbrechen, die eine Gefahr für Finnlands innere und äußere Sicherheit darstellten. Ihre wichtigste Aufgabe war es, die Tätigkeit ausländischer Nachrichtendienste in Finnland zu überwachen. In der SUPO gab es zwei Hauptbereiche: den für die operative Arbeit und den für Entwicklung. Zum operativen Bereich gehörten die Abteilung für Gegenspionage, in deren Zuständigkeit die Abwehr von Spionage und illegaler Aufklärung fiel, sowie die Sicherheitsabteilung, die verantwortlich war für die Terrorismusbekämpfung und die Abwehr anderer Aktivitäten, die Finnlands innere Sicherheit und seine internationalen Beziehungen gefährdeten. Dazu kamen noch die Überwachungsabteilung sowie die Abteilung, die für die Regionalbüros in zwölf Orten zuständig |119| war. Zum Hauptbereich Entwicklung gehörten das Büro für Verwaltung und Begutachtungen sowie die Abteilung für Informationsmanagement. Außerdem stand Ketonen eine Stabsabteilung zur Verfügung. Alles in allem hatte er etwa zweihundert Mitarbeiter.
    Auch der Blick auf den Innenhof konnte nichts daran ändern, daß er sich langweilte. Das Bild war ihm seit fast dreißig Jahren vertraut. Nach der Polizeischule hatte er fünf Jahre bei der Kriminalpolizei gearbeitet und in dieser Zeit ein Jurastudium absolviert. In jenen Jahren freundete er sich mit dem stellvertretenden Chef der Kriminalpolizei an, der ihn mitnahm, als er im Frühjahr 1972 zur SUPO ging. Das war eine stürmische Zeit, sowohl die KPFi als auch die orthodoxen Kommunisten brachten damals eine Gesetzesinitiative zur Abschaffung der SUPO ein, deren Chef der umstrittene Arvo Pentti wurde. Ketonen hatte im Laufe der Jahre zahlreiche unterschiedliche Aufgaben in verschiedenen Bereichen übernommen, die heute als Abteilungen für Gegenspionage und Sicherheit bezeichnet wurden. Er kannte die SUPO und ihre Aufgaben also wie seine Westentasche. Im Jahre 1996 wurde er dann zum Chef der Sicherheitspolizei ernannt.
    Ketonen seufzte und setzte sich hin. Er konnte nicht einmal eine Wette abschließen. Heute gab es kein einziges Fußballspiel, das auf dem Wettschein stand, und auch das Qualifying für das Rennen der Formel 1 am Wochenende fand erst am Sonnabend statt. Er spielte, um sich die Zeit zu vertreiben, wenn er frei hatte, nicht wegen des Geldes, das hatte ihn nie sonderlich interessiert. Schon als junger Mann hatte er gelernt, daß das letzte Hemd keine Taschen hat.
    Wenn um ihn herum etwas los war, dann lebte er auf. Für den sechzigjährigen kinderlosen Witwer war die Arbeit der einzige |120| Lebensinhalt. Die Aufgaben des Chefs der Sicherheitspolizei boten einem Workaholic zumeist glänzende Möglichkeiten, aber zur Zeit herrschte im Büro Ruhe, und das schon die dritte Woche. Diese ruhigen Zeiten waren für Ketonen auch deshalb eine Plage, weil er dann vor allem mehr aß und rauchte. Die Taille des kleinen, untersetzten Mannes hatte in den letzten Wochen so zugenommen, daß die

Weitere Kostenlose Bücher