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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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beim Umgang mit der Waffe wirkten routiniert. »Die Entführer sind tatsächlich Russen gewesen. Das ist eine halbautomatische Makarow PM-Pistole. Typisch für den ehemaligen KGB und den jetzigen SVR.«
    »Für wen?« fragte Ratamo verblüfft. Seine Verwunderung über Pirkko Jalavas Sachkenntnis wuchs von Minute zu Minute.
    Die Hausherrin änderte ihre Sitzhaltung, trank einen Schluck Calvados und erzählte Ratamo von der Spionage der Russen in Finnland. Die Geschichte der Aktivitäten des KGB in Finnland war unglaublich. Es hatte hier mehr sowjetische |246| Aufklärungsoffiziere gegeben als irgendwo anders in der Welt. Die Gesamtstärke des KGB und des GRU, des Aufklärungsdienstes der Armee, wurde in Abhängigkeit von der Quelle auf etwas über oder unter hundert Mitarbeiter geschätzt. Außerdem spionierten in Finnland zahlreiche andere russische Agenten in verschiedenen Organisationen und Einrichtungen. Zusätzlich arbeiteten in dem Land noch ein paar hundert finnische Spione. Ein Teil von ihnen waren echte Agenten, ein anderer Teil Personen mit vertraulichen Kontakten, und schließlich gab es noch Sympathisanten, die das Ziel von Anwerbungsversuchen waren und bei der Sicherheitspolizei angeblich »Spion Jedermann« genannt wurden. Durch die wohlwollende Einstellung der politischen Parteien Finnlands gegenüber Sowjetspionen war diese Arbeit ungefährlich. Selbst die SUPO und die Aufklärungsabteilung zeigten mehr oder weniger Verständnis für die Aktivitäten des KGB in Finnland, bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion.
    Ratamo hörte mit konzentriertem Gesichtsausdruck zu, dachte aber in Wirklichkeit über Pirkko Jalava nach. Sein Leben lag in den Händen dieser Frau. Der edle Ritter auf seinem Schimmel, der ihm das Leben retten sollte, war also eine Frau. So ist das eben heutzutage, dachte er amüsiert.
    Nach Jalavas Auffassung bewirkten mehrere Faktoren, daß Finnland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zum Paradies der sowjetischen Spionage wurde. In Finnland fand man leicht Identitäten, die gar nicht existierten, weil es jede Menge gefallene, vermißte und auf sowjetischer Seite verbliebene Finnen gab. Die Agenten des KGB benutzten die Identität dieser Personen und erhielten so echte finnische Pässe. In der Sowjetunion lebte außerdem eine große Zahl von finnischsprachigen Kareliern und Ingermanländern, die gute KGB-Agenten wurden. |247| Das Operieren des KGB auf finnischem Territorium wurde auch dadurch entscheidend erleichtert, daß die Sowjetunion bereits 1944, unmittelbar nach Ende des Krieges mit Finnland, in dem Nachbarland eine strenge Kontrolle ausüben konnte, ganz anders als in jenen Staaten Ost- und Mitteleuropas, die erst 1948 in ihren Einflußbereich gelangten.
    »Das war damals. Aber die werden doch heutzutage nicht mehr in ganz Finnland herumschnüffeln?« fragte Ratamo.
    Pirkko Jalava erzählte, daß der SVR in Finnland weitestgehend so wie früher der KGB in großem Umfang Einfluß auf die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft nahm. Wenn es darum ging, die EU zu beeinflussen und die NATO-Erweiterung zu verhindern, wurde Finnland als vorgeschobener Posten genutzt. Der Schwerpunkt lag jetzt jedoch auf der Wirtschaft. Deren Unterwanderung hatte man schon zu Zeiten des KGB begonnen. Mit Hilfe Moskaus versuchte der KGB damals, seine Leute auf einflußreiche oder als Informationsquelle wertvolle Posten in staatlichen finnischen Unternehmen, in Banken, Ministerien und den in Rußland aktiven Konzernen einzuschleusen. Die Finnen machten es ihnen leicht. Man ließ zu, daß Politiker mit KGB-Kontakten in den Verwaltungsgremien wichtiger Unternehmen saßen. Die Besetzung von Ämtern nach parteipolitischen Gesichtspunkten brachte zahlreiche Vertreter des KGB in Ministerien und Behörden, also in Positionen, die natürlich aus Sicht der Wirtschaftsaufklärung eine strategische Bedeutung besaßen.
    Der Übergang Rußlands zur Marktwirtschaft sorgte dafür, daß die Wirtschaftsspionage explosionsartig zunahm. Zugleich lag der Schwerpunkt der Spionage gegen Finnland auf der Spitzentechnologie. Der SVR profitierte von alten Beziehungen, und so fiel es ihm in Finnland bedeutend leichter als in anderen |248| westlichen Ländern, seine Leute in Unternehmen einzuschleusen, die auf dem Gebiet der Hochtechnologie und der Computersysteme tätig waren.
    »Wie kann es sein, daß du so viel über das Spionagegeschäft der Russen weißt?« fragte Ratamo verblüfft, als sie ihren Vortrag beendet hatte.
    Jalava

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