Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Helfer gebraucht. Doch der »Hund« war gezwungen gewesen, Tommila zu verführen, um zu erreichen, dass der junge Mann die Hintertür in Inferno versteckte. Er selbst wäre nicht dazu fähig gewesen. Auf der Welt gab es nicht viele Kodierer wie Tommila. Vielleicht keinen einzigen.
Tommila tat Pauliina Laitakari leid. Sie hatte den unerfahrenen, einsamen Wunderknaben wie Schaumfestiger behandelt. Als sie sich trafen, war der arme Kerl noch Jungfrau gewesen. Ihr war klar geworden, dass sie Tommila zum Sündenbock machen könnte, sobald sie ihn als ihren Gehilfen eingespannt hatte. Deshalb hatte sie Guoanbu und Sterligow gegenüber gelogenund behauptet, Tommila kenne das Passwort auswendig. Es war ein genialer Geistesblitz gewesen, Tommilas herzige Geschichte von dem Dackel zu nutzen und sie dem Erpresser Protaschenko so zu erzählen, als stammte sie aus ihrer Kindheit.
Der Russe war schließlich einverstanden gewesen, dass Pauliina Laitakari den Decknamen »Hund« benutzte. Sie hatte vermutet, dass man Tommila für den Schuldigen halten würde, wenn jemand dem Decknamen auf die Spur kam. Ihre Vermutung hatte sich bestätigt.
Pauliina Laitakari legte Tommilas Leiche zwischen zwei große Ufersteine und bedeckte sie mit Schnee. Dann ging sie in Richtung des offenen Meeres und der Fahrrinne. Im Licht der Taschenlampe kam sie nur langsam voran, sie wollte nicht in das eisige Wasser fallen. Die Tränen gefroren auf der Haut und der schneidende Wind traf ihre Wangen, doch die Goretex-Jacke durchdrang er nicht. Als der Lichtkegel der Taschenlampe auf einen Schneewall traf, holte sie aus ihrer Tasche einen Plastikbeutel mit Nägeln, steckte das Filetiermesser hinein, drückte die Luft heraus und verknotete die Griffe. Der Beutel flog klatschend ins Wasser, und sie hoffte, dass ihr Messer sehr tief sank. Ihre Sachen würde sie heimlich im Ofen der Ufersauna ihres Vaters verbrennen. Den Schlüssel hatte sie immer noch.
Es war ihr gelungen, Tommila bei der wöchentlichen Besprechung am Morgen vor seiner Entführung mitzuteilen, dass sie selbst in Wiremoney einbrechen könnten, wenn sie die Kontendaten, die Kundennummern und die Gelegenheit dazu erhielten. Hinter Timo Aaltos Rücken hatten sie sich Zettel zugesteckt wie Schüler in der dritten Klasse. Irgendwie hatte es Tommila auch als Gefangener geschafft, ihr eine Nachricht in die ICQ-Chatgroup zu schreiben: Der junge Mann hatteZugang zu den Kontendaten und Kundennummern bekommen. Doch zu ihrem Ärger bestätigte er nicht, ob er die Zahlungsanweisungen vorgenommen hatte. So war sie gezwungen gewesen, auf Sterligows Nachricht zu antworten, um Zeit zu gewinnen.
Nach dem Raub war der Junge zu einer wandelnden Zeitbombe geworden. Tommila hatte die Rolle eines Mannes, der sie verabscheute, gut gespielt, aber er wäre nicht imstande gewesen, ihr gemeinsames Geheimnis sein ganzes Leben lang für sich zu behalten. Er hätte seiner lieben Mutter oder der Polizei spätestens dann von ihr erzählt, wenn sie die Beziehung beendet hätte. Tommila durfte nicht am Leben bleiben.
Pauliina Laitakari kletterte über den Uferwall aus Steinen am Kaivopuistonranta, überquerte die Ehrenströmintie und lächelte.
Wie nannte man einen Menschen, dem es gelang, ein Genie zu überlisten?
MITTWOCH
59
Ketonen kaute so heftig auf der Nicorette, dass seine vier Gäste das Schmatzen hörten. Alle Beratungsräume waren besetzt, deshalb wurde die Inferno-Besprechung in seinem Arbeitszimmer abgehalten. Musti war zu Risto Tissari, dem Chef der Sicherheitsabteilung, evakuiert worden. Ketonen fühlte sich schon besser, er hatte zwei Nächte gut geschlafen, und dank der Yoga-Übungen schmerzte sein Rücken nicht mehr. Doch er machte sich immer noch Vorwürfe wegen Tommilas Tod. In der Regel wurden Personen, die im Verdacht standen, einen schweren Raub begangen zu haben, in Untersuchungshaft genommen, wo sie auf den Prozess warteten. Er hatte Tommila jedoch nach den Verhören freigelassen, in der Hoffnung, der junge Mann würde die SUPO zu seinen Komplizen führen.
Riitta Kuurma und Ratamo fragten sich, was die ganze Besprechung eigentlich sollte. Normalerweise wurde für Verdächtige, deren Unschuld sich herausgestellt hatte, keine Informationsveranstaltung abgehalten.
Auf Ratamos Gesicht lag ein abwesender Ausdruck. Am Morgen hatte er auf Archivbildern die Frau erkannt, die ihn über die Dächer gejagt hatte. Irina Iwanowa war in ihrer Wohnung in Lauttasaari tot aufgefunden worden, ermordet mit
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