Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
gehalten, wie verhängnisvoll es für Nelli wäre, wenn ihrem Vater etwas Ernstes zustieße. Um sein schlechtes Gewissen zu lindern, hatte er Nelli ein Frühstück mit lauter Leckerbissen zubereitet, allerdings als Dank nur eisiges Schweigen und Schmollen geerntet. Wie lange würde er nach Abschluss der Ermittlungen brauchen, um Nelli wieder zu versöhnen?
»Was gibt es Neues?«, fragte Ketonen Wrede. Er überlegte, ob der Küchenmessermann seinen Westover vor Müdigkeit zuHause vergessen hatte oder seinen Bekleidungsstil ändern wollte.
Wrede wirkte frustriert und erschöpft. »Wir haben die Steckbriefe für Sterligows Helfer auf der Grundlage von Tommilas Beschreibung herausgegeben. Die ersten Hinweise werden derzeit überprüft«, berichtete Wrede leise, setzte sich hin und fuhr fort. In Sörnäinen seien Geschäftsräume gefunden worden, die höchstwahrscheinlich Sterligows Männer benutzt hatten. Die Kriminaltechniker untersuchten sie noch, und Piiralas Leute durchforsteten die Speicher der Computer in den Büroräumen »Hoffentlich finden sie etwas, womit wir den Mafia-Gangstern auf die Spur kommen können. Höchstwahrscheinlich haben sie das Land aber längst verlassen«, sagte er niedergeschlagen.
Soviel man wusste, war Guoanbu nicht in Wiremoney eingebrochen: Nach Auskunft der Computerspezialisten kamen alle eingegangenen Zahlungsanweisungen von dem Computer in der Hütte. Wrede sagte, er wisse nicht, was innerhalb von Guoanbu passiert sei, aber angesichts der Mengen an verschlüsselten Nachrichten, die in den letzten Stunden aus Peking an die chinesische Botschaft in Finnland geschickt worden waren, sei es ein Wunder, dass die Verbindung nicht zusammengebrochen war. Für Tang, den Aufklärungschef, sei schon ein Flug nach Peking gebucht. Wrede vermutete, dass dies personelle Veränderungen in der chinesischen Botschaft bedeutete. Wenn Tang aus Finnland abgezogen würde, brauchte man vielleicht keinen offiziellen Protest einzulegen.
»Darüber entscheiden andere Leute«, schnauzte Ketonen ihn an. Wrede berichtete noch, das FBI habe bestätigt, dass man in Protaschenkos Hotelzimmer keine Fingerabdrücke der Inferno-Verantwortlichen gefunden hatte und auch keine DNA-Spuren. Er hatte dem FBI Proben von Sterligow geschickt.
Ratamo strich mit dem Finger über die Nähte in seiner Unterlippe und schob verstohlen einen neuen Priem unter die Oberlippe, dabei fiel ihm plötzlich Riittas Rosario ein. Er nahm einen Notizblock vom Tisch und schrieb Riitta, wie leid es ihm tat.
»Gegenstände soll man nicht in sein Herz schließen«, flüsterte Riitta Kuurma und lächelte.
Ketonen sah den Stand der Ermittlungen mit gemischten Gefühlen. Es hörte sich so an, als hätten sie alles Mögliche getan, dennoch wussten sie nicht viel mehr als vorher. Wie sollten sie beweisen, dass Tommila die Schuld an dem Raub trug? Wo befanden sich Sterligows Helfer? Sein Gehirn war wie betäubt. Ein paar Stunden Mittagsschlaf würden ihm guttun. Er konzentrierte sich und erteilte seinen Mitarbeitern die nötigen Aufträge.
Ratamo hatte noch nicht alles verarbeitet, was in den letzten Tagen geschehen war. Er fühlte sich etwas wirr im Kopf. Der einzige Anlass zur Freude war, dass Himoaalto nichts Gesetzwidriges getan hatte.
»Arto«, sagte Ketonen. Ratamo schreckte aus seinen Gedanken auf und sah, dass die anderen schon gegangen waren.
»Gut gemacht. Willkommen bei der SUPO.«
57
Die Stimme seiner Mutter klang so warm wie immer. Sie verdrängte die Gedanken an den Geier und die Schrecken im Keller und sorgte dafür, dass sich Simo Tommila sicher fühlte. Er lauschte ihrem Rhythmus und Gefühl, hörte aber nicht auf die Worte. In seinem sauberen und hellen Schlafzimmer kam er sich vor wie im Paradies.
Sein Vater hatte sie gerade aus dem Krankenhaus nach Hause gebracht und war dann zur Nachtschicht gegangen. Ketonen und seine Helfer hatten Tommila den ganzen Nachmittag verhört. Der Arzt wollte ihn zur Beobachtung noch über Nacht im Krankenhaus behalten, aber er hatte ihm klargemacht, dass er gehen würde, entweder mit oder ohne ärztliche Erlaubnis. Den Psychologen vom Zentrum für Folteropfer der Diakonie hätte er nicht einen Augenblick länger ertragen. Der Mann hatte ihn gedrängt, über seine Erlebnisse zu reden, er hingegen hatte beschlossen, die Ereignisse der letzten Tage für immer aus seinem Gedächtnis zu löschen. Merkwürdigerweise hatte sich der Zehenstumpf nicht entzündet. Man hatte ihm außerordentlich starke
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