Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Pereulok geführt worden. Protaschenko hatte Fotos inszeniert, die den »Hund« angeblich bei der Übergabe geheimer Kundenunterlagen an andere zeigten und ihn später in Sexszenen verewigten, von denen ihm immer noch übel wurde, wenn er nur daran dachte.
Vier Tage nach der Betäubung, als auch die letzten Spuren des Rohypnols aus seinem Blut verschwunden waren, hatte Protaschenko ihm alles erzählt und die Fotos gezeigt. Der »Hund« besaß keine Möglichkeit, zu beweisen, dass man ihn erpresst hatte. Protaschenko hätte ihn mit den Fotos vernichten können. Die Unternehmen, deren Unterlagen er angeblich übergeben hatte, wären gezwungen gewesen, ihre Server zu schließen und ihre Sicherheitssysteme zu überprüfen. Das hätte den Verlust von Einnahmen und zahlreichen Kunden bedeutet, ihr Firmenimage ruiniert und finanzielle Schäden in Millionenhöhe nach sich gezogen. Eine Flut von Schadenersatzklagen hätte ihn überrollt und jahrelang auf die Anklagebank verbannt. Als Protaschenko die Negative der Fotos und eine geringe Geldsumme als Honorar für die Installation der Hintertür angeboten hatte, war der »Hund« gezwungen gewesen, auf die Erpressung einzugehen.
Er hatte Protaschenko dazu überredet, als Ziel des Datendiebstahls das Inferno-Programm der National Bank zu akzeptieren, über dessen Kauf noch verhandelt wurde. Dann hatte er Sam Waisanen bestochen, der herausfand, dass Inferno als Verschlüsselungssoftware für Wiremoney eingesetzt werden sollte. So blieb dem »Hund« genug Zeit, die Hintertür im Authentifizierungsprogramm Charon zu installieren und für die Experten von Guoanbu die gewünschten technischen Daten von Inferno zu kopieren. Er hatte den Verdacht, dass China damit ein Programm ähnlich wie Inferno herstellen wollte. Sicherheitshalber hatte er die Daten mit dem Scanner auf seinem Laptop gespeichert. Das Ausdrucken vom Terminal wäre im Datensystem registriert worden.
Der riskanteste und komplizierteste Teil der Operation war der Einbau der versteckten Hintertür im Charon. Zu seinem Glück wurde Charon von einer Arbeitsgruppe kodiert, zu derDutzende Experten gehörten. Einem Spitzenkodierer gelang es, die Hintertür als Teil eines Programmcodeabschnitts zu tarnen, den ein Mitglied der Arbeitsgruppe hergestellt hatte. Die Hintertür war so kodiert, dass man sie mit einem langen Passwort aktivieren konnte. Zusätzlich zum Passwort musste der Dieb die Kunden- und Kontennummern jener Kunden der National Bank kennen, die er ausrauben wollte. Und genau die hatte Protaschenko kürzlich von Waisanen erhalten.
Seit man ihn erpresst und angeworben hatte, war der »Hund« sicher gewesen, dass er früher oder später erwischt werden würde, entweder auf frischer Tat oder durch eine Denunziation der Chinesen. Für Guoanbu wäre es ideal gewesen, ihn nach dem Raub auffliegen zu lassen. Die Polizei hätte dann einen Schuldigen gehabt. Deswegen kam für den »Hund« die Person wie auf Bestellung, die im letzten Herbst als Vertreter von Swerdlowsk Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. Damals war er auf die Idee gekommen, wie er sich retten könnte. Er wollte das Passwort auch Swerdlowsk verkaufen und damit erreichen, dass die beiden Organisationen um seine Ware kämpften. Vielleicht würde eine von beiden an seiner Stelle die Verantwortung für den Datendiebstahl übernehmen müssen.
Der »Hund« war überrascht. Warum hatte Guoanbu ihn nicht gesucht? Warum begnügten sich die Chinesen damit, ihm Nachrichten in die Chatgroup zu schreiben? Konnte es sein, dass Protaschenko der einzige Mitarbeiter von Guoanbu gewesen war, der seine Identität kannte?
Er dachte so konzentriert nach, dass er beinahe auf die Insel Taivalluoto gelaufen wäre. Deswegen änderte er seinen Kurs um einen Deut nach links; Hietaranta war nur ein paar hundert Meter entfernt. Das Sonnenlicht wurde vom Schnee reflektiert, eine Sonnenbrille wäre angebracht gewesen. Weitentfernt vom blau schimmernden offenen Meer erhob sich eine weiße Nebelsäule und verdeckte ein Stück des Horizonts.
Protaschenko hatte das Inferno-Projekt krankhaft eifersüchtig für sich behalten und den »Hund« keinem einzigen seiner Kollegen vorgestellt. Auch für seine Anwerbung hatte Protaschenko Helfer benutzt, die nicht zu seiner Organisation gehörten. Vielleicht wollte er sichergehen, dass ihm bei einem Erfolg seiner Operation keiner den Ruhm nehmen könnte. Ein Datendiebstahl mit einer Beute von Hunderten Millionen Dollar wäre für einen jungen Spion
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