Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
eine enorme Leistung und ein gewichtiger Punkt auf seiner Meritenliste gewesen. Und die Fotos? Hatte Protaschenko das Material über ihn vor seinen Kollegen geheim gehalten?
Der »Hund« war zuversichtlich. Wenn bei Guoanbu niemand mehr seine Identität kannte, dann war er vielleicht schon bald verdammt reich.
29
Simo Tommila saß starr und mit versteinerter Miene wie eine Buddha-Figur in der wöchentlichen Besprechung der Inferno-Verantwortlichen im Beratungsraum von DataNorth. So schlecht geschlafen hatte er das letzte Mal vor Jahren. Damals war es dem Viruslabor von Finn Security gelungen, den Code des weltweit verbreiteten Virus »Boogieman« schneller zu knacken als er.
Sein Gehirn analysierte pausenlos die Taxifahrt am vorhergehenden Abend. Die Ermittlerin der SUPO hatte am Telefon versichert, das Geschehene habe nichts mit dem Fall Inferno zu tun, er sei in eine Auseinandersetzung zwischen Drogendealern geraten. Doch das glaubte er nicht. Tommila faltete die Tagesordnung der Besprechung zweimal zusammen undsteckte sie in seine Gesäßtasche. Ihm fiel ein, dass man ein trockenes quadratisches Blatt Papier nicht öfter als siebenmal genau in der Mitte zusammenfalten konnte.
Aalto zuckte zusammen, als Pauliina Laitakari neben ihm aufsprang und Tommila anschrie. Sie sah verkatert aus und war im Gegensatz zu ihren sonstigen Gewohnheiten nicht geschminkt und ungekämmt. Sicher hatte Pauliina erst nach Ausschankschluss irgendein Promilokal schwankend verlassen.
Bei dem Treffen um neun Uhr morgens sollte die Zukunft des Inferno-Programms und das Problem der verratenen Daten besprochen werden. Laitakari und Tommila lagen sich wie üblich die ganze Zeit in den Haaren, und Aalto durfte schlichten. Ratamo tat ihm immer noch leid. Die Fragen zu Inferno waren seinem Freund so schwergefallen, dass Aalto schon nahe daran gewesen war, ihm unaufgefordert alles zu erzählen. Artos Vorgesetzter musste so hart wie ein Diamantbohrer sein. In der Regel ließ sich Ratamo von niemandem etwas vorschreiben: Nach außen wirkte er zwar ruhig und geduldig, aber dahinter verbarg sich ein eiserner Wille.
Ein paar Pillen fielen auf den Tisch, und Pauliina Laitakari fluchte ungehemmt. Die Kopfschmerzen waren so stark, dass sie noch ein viertes Disperin nehmen musste. Sie überlegte eine Weile, ob sie gleich noch einige Magnesium/Kalium-Tabletten schlucken sollte, die Wasser im Gewebe abbauten. »Diese Weekly Meetings bringen nichts mehr. Wer will denn schon Verbesserungsvorschläge zu einem Verschlüsselungsprogramm machen, wenn irgendjemand versucht, es an Kriminelle zu verkaufen«, schimpfte sie und setzte sich bequemer hin. Warum war sie bloß nicht im Bett geblieben? Nachts hatte sie einen phantastischen Betriebswirt abgeschleppt. Zum Glück waren die finnischen Männer bemitleidenswert simpel. Wenn eine Frau es fertigbrachte, in eine Kneipe zu gehen, dann fand siegenauso schnell einen Bettgefährten wie ein Lagerfeuer in der Mittsommernacht.
»Nun beruhige dich mal, junge Frau. Die Arbeit muss normal weitergehen. Oder sollen wir Hunderten Kunden mitteilen, dass Inferno nicht mehr aktualisiert und gewartet wird. Das wäre für uns alle das Ende«, sagte Tommila übertrieben ruhig.
»Was heißt hier junge Frau! Verfluchter Chauvinist!«, fuhr Pauliina Laitakari ihn an und drehte ihm dann den Rücken zu. »Ich diskutiere nicht mit diesem Esel«, sagte sie zu Aalto und schnaufte. »Der drückt das Gespräch erst auf sein imbezilles Niveau und gewinnt dann, weil er da Heimvorteil hat.«
»Wusstet ihr, dass Esel jährlich mehr Menschen töten als bei Flugzeugunglücken umkommen?«, verkündete Tommila ganz sachlich.
Allmählich reichte es Aalto. Man hatte ihn in diesen Raum eingesperrt, zusammen mit einem Wunderkind, das ständig belanglose Fakten vor sich hin plapperte, und einer Löwin, die unter einer Überdosis Östrogen litt. Wohl oder übel musste er das gestreifte Schiedsrichtertrikot überziehen. »Es ist doch schon vereinbart, dass den Kunden nichts mitgeteilt werden kann. Die Polizei weiß ja nicht einmal, warum die Daten gestohlen wurden. Vielleicht sollten wir das nächste Weekly Meeting erst ansetzen, wenn die Ermittlungen der Polizei abgeschlossen sind. Bis dahin ist der technische Service in der Lage, die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen«, schlug Aalto vor. Tommila und Laitakari murmelten etwas und packten ihre Sachen zusammen. Die Beratung war beendet.
Als die anderen gegangen waren, schloss Tommila die
Weitere Kostenlose Bücher