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Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)

Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)

Titel: Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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erfahren, dass Anna-Kaisa Holm aus dem Züricher Krankenhaus verschwunden war, und daraufhin ihre Eltern angerufen. Die Verzweiflung der Mutter hatte sich so herzzerreißend angehört, dass er am liebsten geheult hätte. Anna-Kaisas Schicksal traf ihn tiefer als alles andere seit dem Tod seiner Frau. Ihm fiel keine vernünftige Erklärung für die Fentanyl-Überdosis und ihr Verschwinden aus dem Krankenhaus ein. Endlich einmal war er froh, dass er keine Kinder hatte.
    Er ging unruhig durch seine Dreizimmerwohnung in Kruununhaka, blieb schließlich im Schlafzimmer stehen und betrachtete die vielen Fotos von Hilkka auf der Kommode. Früher hatte ihn das beruhigt, aber jetzt wirkte es entgegengesetzt. Er war nun schon vier Jahre Witwer. Es wurde Zeit, nach vorn zu blicken und seinem Leben einen neuen Inhalt zu geben. Die Rentnerjahre rückten immer näher. Er hatte beschlossen, seine Freizeit nicht mehr allein mit Wetten und minderwertigem Fast Food zu verbringen. Arto Ratamo hatte sein Leben nach dem Tod seiner Frau auf den Kopf gestellt, warum sollte er das nicht auch schaffen? Er war schließlich erst einundsechzig. Die Männer in seiner Familie wurden alt: Mit etwasGlück hatte er noch mindestens zwanzig Jahre vor sich. Er rauchte nicht mehr und machte Yoga-Übungen, aber das war nur der Anfang. Müsste er vielleicht umziehen? In dieser Wohnung war die Erinnerung an Hilkka allgegenwärtig. Oder sollte er sich eine Freundin suchen? Wäre er überhaupt dazu imstande?
    Seit seinem letzten Rendezvous war schon ein Jahr vergangen. Brita hatte ihn zu einem Konzert mitgenommen, sie wollte im Savoy-Theater die KalmukkisinFonia hören. Er erinnerte sich noch, wie der Vorhang hochging und sechs Geiger auftauchten, von denen vier ein halbes Hirschgeweih auf dem Kopf trugen. Den Zuschauern hatte die extrem moderne Fusion-Volksmusik gefallen, aber für ihn war das zu hoch gewesen. Seiner Auffassung nach war die Unterhaltungsmusik nach Tapio Rautavaaras Schlagern in den 50er und 60er Jahren zum bloßen Lärm verkommen.
    Plötzlich fiel ihm Anna-Kaisa Holm wieder ein, und er schämte sich. Eine seiner Mitarbeiterinnen war verschwunden, und er träumte von Frauen. Und das in seinem Alter.
    Er beschloss, ein paar fettarme Würstchen zu essen. Gerade als er überlegte, ob er sich die Mühe machen sollte, sie in die Mikrowelle zu legen, klingelte das Telefon.
    Loponen berichtete, dass beim Abhören von Ratamo und Aalto nichts herausgekommen war.
    Ketonen überraschte das nicht. Er bedankte sich für die Information und legte auf. Auch Wrede hatte bei Ratamo zu Hause nichts anderes herausgefunden, als dass der Mann auffällig offen und ehrlich wirkte. Vielleicht wusste Ratamo von seinem Verdacht, überlegte Ketonen besorgt. Möglicherweise hatte irgendein SUPO-Mitarbeiter eine Andeutung gemacht.
    Er setzte sich an seinen Schreibtisch und blätterte nervös in den Berichten über Guoanbu und China. Die Unterlagen, dieman in der Wohnung des vietnamesischen Verschlüsselungsexperten gefunden hatte, brachten Guoanbu mit den Inferno-Ermittlungen in Verbindung. Welche Rolle spielte China? Bekam der Satz »Die Gefahr kommt aus dem Osten« allmählich eine neue Bedeutung? Guoanbu galt als beängstigend effiziente Organisation. Die totalitären Staaten waren völlig von ihren Aufklärungsdiensten und der Unterdrückung der nach Demokratie strebenden Kräfte abhängig. Und wenn Ratamo nun für die Chinesen arbeitete? Vielleicht hatte Guoanbu den damals etwa zwanzigjährigen Mann ausgebildet, als er angeblich durch Vietnam und Südostasien gewandert war? Hatte Guoanbu in der Gestalt von Ratamo einen Spion in die SUPO eingeschleust? Oder stellte er selbst gerade einen neuen Paranoia-Rekord auf?
    Dass China Industriespionage betrieb, war nichts Besonderes. Alle großen Staaten wilderten in diesem Revier. Nach Ketonens Auffassung waren es andere Gründe, die China zu einer besonders großen und furchteinflößenden Gefahr werden ließen. Jeder fünfte Mensch war ein Chinese. Innerhalb eines Jahrzehnts hatte sich das Land von einer Agrargesellschaft in die zweitgrößte Wirtschaftsregion der Welt verwandelt. Sollte China die weltgrößte Wirtschaftsmacht werden, wie es die Experten vermuteten, könnten die Folgen schwerwiegend sein. Wenn eine halbe Milliarde Chinesen im Laufe von zehn, zwanzig Jahren in die Städte zöge, würde die Erde an den Schadstoffen ersticken. Und im Gefolge der Urbanisierung würde die gegenwärtige Zahl von über fünfzig

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