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Finnisches Quartett

Finnisches Quartett

Titel: Finnisches Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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über den Rasen zum Patio und hockte sich vor die Terrassentüren. Die Bewegungsmelder schienen Qualitätsware zu sein, ebenso die Alarmanlagen der Schlösser, aber an den Fensterscheiben waren keine Sensoren. Er ging um das Haus herum und spähte durch alle Fenster hinein, die man von der Straße aus nicht sehen konnte, und zeichnete in seinem Gehirn ein Bild vom Grundriß der Wohnung. Als er die offene Kellertür erblickte, tauchte plötzlich vor ihm ein
    Bild auf, das Kellerloch und das, was der Soldat nachts mit Mary gemacht hatte, aber er verdrängte es aus seinem Bewußtsein. Noch durfte Eamon die Herrschaft nicht übernehmen.
    Nachdem Ezrael genug gesehen hatte, verschwand er wieder in dem Wäldchen und rannte auf schmalen Wegen über Hinterhöfe und abgelegene Pfade in Richtung des Zentrums von Bethesda. Die Werbeschilder der Restaurants schimmerten durch die Wipfel der Linden. Taco Bell, Burger King, Wendy’s, Kentucky Fried … Er schämte sich, daßer schon Appetit auf dieses minderwertige Essen hatte. Ezrael zauberte den Anblick vom Tod der Märtyrer vor sein geistiges Auge. In Rom wurden auf die Haut der Urchristen die Felle von wilden Tieren genäht, damit die Bluthunde sie noch rasender zerfleischten. Und Kaiser Nero erleuchtete seinen Garten, indem er Christen wie gewaltige Kerzen verbrannte. Warum wurde von diesen Helden nicht gesprochen, nur selten hatte man von ihren mutigen Taten auch nur gehört.
    Ezrael glaubte, daß er sogar zum Märtyrium des Polykarp, des Bischofs von Smyrna, imstande war. Als der im Jahre 155 gefangengenommen und in das Amphitheater von Smyrna geführt wurde, befahl der römische Prokonsul Statius Quadratus dem alten Mann, hier vor den Augen Tausender Zuschauer seinem Gott abzuschwören. Polykarp gehorchte natürlich nicht, also ordnete der Prokonsul an, ihn bei lebendigem Leibe zu verbrennen. Als der Scheiterhaufen errichtet wurde, bat Polykarp darum, nicht gefesselt zu werden, er wolle seinen Tod als freier Mann empfangen. Wenn Polykarp dazu in der Lage war, warum dann nicht auch er?
    Das geschäftige Treiben in der Vorstadt Bethesda zwang Ezrael, sich wieder auf den Auftrag zu konzentrieren. Unter den Sündern muß man sich verhalten wie die Sünder … In Amerika sahen auch die Vororte mit ihren gewaltigen Bürogebäuden und breiten Straßen groß aus. Er holte die Dose aus der Tasche und steckte sich ein paar Pillen in den Mund. Heute war die Wirkung schon deutlich zu spüren, er schrak vor Ekel zusammen, als er sich daran erinnerte, wie das Urumi-Schwert in Gloria Davegnas Fleisch eindrang.
    Ezrael ging auf dem Old Georgetown Boulevard zur Metrostation und war zufrieden, daß auf diesen Straßen nicht das gleiche dichte Gedränge herrschte wie in den größten Metropolen. Im selben Augenblick traf sein Blick auf einenjungen Mann in Frauenkleidern, und die Bestie trat so unerwartet zu, daß er sich in die Wange biß und den Geschmack des Blutes im Mund spürte.
    An der Kreuzung des Boulevards und der Wilson Lane fiel ihm ein schrilles Klingeln auf, das mitten im Verkehrslärm zu hören war. Die Städter eilten an der Telefonzelle vorbei, ohne ihr Tempo zu verlangsamen, nur ein gebeugt gehender älterer Herr mit Schirmmütze blieb einen Augenblick stehen. Ezrael betrat die Telefonzelle und hob den Hörer ab.
    »Ich bin Seraphim«, sagte die Männerstimme, und Ezrael erkannte sie.
    »Ich will dir helfen, wie ich es versprochen habe. John Dexter wird heute um dreizehn Uhr in seiner Wohnung allein sein. Handle schnell, viel Zeit kann ich dir nicht garantieren.«
    Ezrael legte den Hörer auf und lächelte, jetzt sah es schon so aus, als wäre es möglich, Rache zu nehmen. Der Allerhöchste sorgte immer für die Seinen. Das erste Mal seit Monaten mußte er sich dazu zwingen, an den Satz zu denken:
»Denn das ist des HERRN Rache. Rächt euch an ihm, tut ihm, wie er getan hat.«

47
    Der stellvertretende US-Verteidigungsminister Robert Wolferman grüßte den Wachsoldaten vor dem Pentagon und strich mit der Hand über den garantiert staubfreien Hut der Bronzebüste von General Dwight D. Eisenhower. Es war richtig, daß der wichtigste Flur im Verteidigungsministerium der USA den Namen des Oberkommandierenden bei der Landung in der Normandie trug. Der zweitwichtigste Mann des Pentagon ging durch das Büro seiner Sekretärinin sein Zimmer, wo Amanda Moreno, die operative Chefin des DIA, des Nachrichtendienstes der Armee, schon auf ihn wartete.
    »Wer hat Jaap van der Waal

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