Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finnisches Quartett

Finnisches Quartett

Titel: Finnisches Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
Vom Netzwerk:
in der Zelle der Polizeistation. Scott Anderson strich über seinen blonden Ziegenbart, nahm einen kurzen Zug aus seiner Selbstgedrehten mit White-Widow-Marihuana, atmete den Rauch jedoch nicht ein. Er wollte nicht in Sphären entschweben, weil sich die Zukunft von Final Action möglicherweise an diesem Abend entschied. Gloria Davegna, die italienische Freundin von Jorge Oliveira, wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, nahm einen Schluck Bier und schaute durch die Gitter hindurch auf die Wand, an die Hunderte Menschen mit Stiften aller möglichen Farben ihren Namen gekritzelt hatten. Gloria und Scott saßen im Bulldog Coffeeshop, den man in den Räumen einer alten Polizeistation in Leidseplein, im Südwesten Amsterdams, eingerichtet hatte.
    Die beiden führten von ihrem Büro im AmsterdamerWorld Trade Center aus eine Webzeitung namens Future. com, in der Mißstände der Weltwirtschaft, die Umweltsituation und die Probleme der Entwicklungsländer kritisch erörtert wurden. In Wirklichkeit diente sie jedoch nur als Fassade, hinter der die beiden Aktivisten Mittel für Final Action sammelten. Eine effektive Beschaffung von Finanzmitteln war für jede Terrororganisation eine unerläßliche Voraussetzung. Scott und Gloria nutzten beim Anwerben von Unterstützern und beim Anlegen der Spenden die neueste Kommunikationstechnologie so geschickt, daß die Behörden die Herkunft oder den Zweck der Mittel von Final Action nicht ermitteln könnten, selbst wenn sie das Büro von Future.com durchsuchten. Gloria hatte sich ihre Kenntnisse in Mailand als Spezialistin für den Zahlungsverkehr der Banca Intesa angeeignet und Scott als Verschlüsselungsspezialist der Citibank in New York.
    Gloria faltete einen zerknitterten Zettel auseinander und las den aus dem Mirandesischen ins Englische übersetzten Text zum x-tenmale:
»Man hat mich erwischt. Die Verfolger sind keine Polizisten. Helft. Konsortium der Ölkonzerne, geleitet von van der Waal, Assistentin Mary Cash, Physiker werden umgebracht – der Finne Elvas stirbt heute. Engel des Zorns …«
    Die zwei Freunde schauten sich fragend an. Keiner von beiden hatte auch nur die geringste Ahnung, was Jorge mit seiner Nachricht meinte.
    »Diese Leiche ist nicht Jorge«, sagte Gloria schließlich in ihrem holprigen Englisch. Wieder rannen ihr Tränen über die Wangen, und das schmale Gesicht bebte.
    Scott überlegte sehr genau, was er sagen sollte. Sie wußten aufgrund der Nachrichten aus Rundfunk und Fernsehen, daß ihre Freunde am frühen Morgen aus dem Gebäude von Dutch Oil in das Naturschutzgebiet von Meijendel geflohen waren. Nach dem, was man im Internet in den Diskussionsforen lesen konnte, lief in Meijendel eine Großfahndung,und es war die Leiche eines dünnen jungen Mannes mit schwarzen Haaren gefunden worden. Scott fürchtete, daß der Tote Jorge war. »Hoffen wir, daß es so ist, wie du sagst, aber Jorge hat uns jedenfalls um Hilfe gebeten. Bist du übrigens absolut sicher, daß die Nachricht richtig übersetzt ist?«
    Gloria schnaufte verärgert und schneuzte sich. »Jorges Bruder wird ja wohl Mirandesisch verstehen. Außerdem ist die Sprache so selten nun auch wieder nicht, immerhin ist es in Portugal offiziell die zweite Landessprache.«
    Man sah Scott an, wie frustriert er war. »Wir wollten doch die Polizei über die SMS informieren, falls wir bis um sechs Uhr nichts von der Zelle hören, und jetzt ist es gleich halb acht. Uns kann kein Schaden daraus entstehen, wenn wir die Polizei über die Nachricht unterrichten. Man hat die Zelle erwischt, glaub mir. Wäre es jemandem gelungen, zu fliehen, bevor Meijendel umstellt wurde, dann hätte man schon Kontakt zu uns aufgenommen. Aus dem Polizeigewahrsam traut sich niemand anzurufen, die Polizei würde im Handumdrehen herausbekommen, wo das Gespräch angenommen wurde.«
    Seine Begründung sorgte dafür, daß Gloria nicht mehr zusammengesunken dasaß, sondern sich aufrichtete. »Und ein Physiker namens Elvas ist heute in Helsinki tatsächlich umgebracht worden.« Sie hatten die Nachricht auf den Internetseiten von Zeitungen gelesen.
    Scott Anderson nickte und paffte ein paarmal. Eine Rauchwolke, die bitter roch, breitete sich aus.
    Gloria rümpfte die Nase und drehte ihre Haarspitzen zwischen den Fingern. Sie mußten eine Entscheidung treffen, kamen aber nicht weiter. »Was wird nun aus unseren Zielen?«
    »Eine neue wirtschaftliche Weltordnung. ›Final Action – zwingt zur Änderung‹«, deklamierte Scott

Weitere Kostenlose Bücher