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Finnisches Quartett

Finnisches Quartett

Titel: Finnisches Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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eingeleitet und Boykottmaßnahmen gegen ihre Produkte organisiert. Wenn die anderen Unternehmen sahen, wie es den Konzernen erging, die Ziel der Anschläge von Final Action geworden waren, würden sie die Mißstände in ihrer Produktion im voraus beseitigen und die Verschmutzung der Umwelt oder die Ausbeutung der Ressourcen in den Entwicklungsländern auf eigene Initiative beenden.
    Gloria stand auf, sie machte einen entschlossenen Eindruck. »Gut, ich schicke die Nachricht ab.« Sie ging in die Ecke der Bar, setzte sich auf einen Bürostuhl und betrachtete den flachen LCD-Monitor des neu aussehenden Computers, den sie für zwei Stunden gemietet hatte, und griff nach der extravaganten durchsichtigen Maus. Bulldog Coffeeshop war nicht nur ein Ort, wo man legal Haschisch rauchen konnte, sondern auch ein Internetcafé. Auf der Grundlage einer E-Mail, die er von hier erhielt, wäre der AIVD, der holländische Nachrichtendienst, nicht in der Lage,Final Action und Future.com miteinander in Verbindung zu bringen.
    Als er hinausging und den Fußweg betrat, wurde Scott klar, daß die Sonne schon untergegangen war. Er zog seinen Pullover an, ging zum nächstgelegenen Briefkasten und warf ein Kuvert mit der Adresse des AIVD ein. Darin befand sich die SIM-Card von Glorias Handy: Sie würde beweisen, daß Jorges SMS echt war, aber die Polizei wäre nicht imstande, den Besitzer der Prepaid-Card herauszufinden.

9
    Das Taxi hielt vor der Lönnrotinkatu 29, etwa zwanzig Meter vom Haupteingang des Hotels Lord entfernt. Die Polizeiautos und Krankenwagen verstopften eine Fahrspur, und auf dem Fußweg wimmelte es von Neugierigen.
    Arto Ratamo stieg aus der Taxe in den milden Frühlingsabend und bewunderte das vor hundert Jahren als Haus der studentischen Landsmannschaften an der Technischen Hochschule erbaute »Vanha Poli«, das so groß wie ein halber Häuserblock war und an ein mittelalterliches Schloß erinnerte. Auf der anderen Seite der Straße vor einem Nepal-Restaurant stand schwankend ein Paar und küßte sich, und der mutigste Jungteenager einer Gruppe von Jugendlichen, die am Schaufenster eines Pornoladens lehnte, trank nur ein paar Meter von einem Polizisten entfernt, der den Verkehr regelte, aus einer Apfelweinflasche und durfte dafür ein Bad in den bewundernden Blicken der Mädchen nehmen. Die jüngsten der jungen Damen schienen nur wenig älter zu sein als Nelli. Wenn seine Tochter in dieser Clique herumhängen würde, dann wäre er garantiert hingegangen, hätte den Schnaps der jungen Leute in den nächsten Gully geschüttet und Nelli nach Hause gezerrt. Ratamos Verbitterungverschwand, als die Gruppe in Richtung Hietalahti loszog.
    Er bahnte sich einen Weg durch das Menschenmeer und ging am Haupteingang des Hotels Lord vorbei. Es roch nach Alkohol, und dümmliche Ausrufe schwirrten durch die Luft. Ratamo sah, daß im Torweg, der zum Innenhof des Mietshauses neben dem Hotel führte, ein blau-weißes Band gespannt war: »ABSPERRUNG DER POLIZEI«. Und auf der Weste des Polizisten, der vor dem Absperrband stand, war »Abteilung für Gewaltverbrechen« zu lesen. Ratamo holte seinen Dienstausweis aus der Tasche seiner Jeans, bückte sich und ging unter dem Band hindurch in das abgesperrte Gebiet.
    An der Stelle, an der man die Leiche von Professor Elvas gefunden hatte, herrschte ein reges Treiben. Ratamo schaute hinter den Schutzvorhang: Die Plastiktüten, die man mit Klebeband an den Händen von Elvas befestigt hatte, wackelten im Wind, der nackte Oberkörper und das leblose Gesicht sahen bläulich aus. War der Mann im Suff eingeschlafen und am eigenen Erbrochenen erstickt? Ein Mann um die Sechzig starb am Ersten Mai durch Schnaps – das war eine traditionelle finnische Todesart, nach Ratamos Auffassung war sie ein wenig zu typisch. Vor allem, weil drei europäische Physikerkollegen von Elvas während des letzten halben Jahres durch Unfälle gestorben waren. Es kam vor, daß sich Zufälle häuften, aber alles hatte seine Grenzen.
    Ein nicht genau zu benennendes lähmendes Gefühl erfaßte Ratamo. Die Situation erinnerte auf fatale Weise an jene Fälle, bei denen er in wichtige Ermittlungen hineingerissen worden war. Wenn die finnische Polizei nachwies, daß es sich bei dem Tod von Elvas um einen Mord handelte, würden die Todesfälle der Physiker in der letzten Zeit zu Ermittlungen internationalen Ausmaßes werden.Ratamo fiel plötzlich der Bericht Ketonens ein, wie sich die Entdeckung einer kostenlosen Energiequelle auf die

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