Finnisches Quartett
Mary, nachdem sie zu dem Schluß gekommen war, daß die blödsinnige Genever-Geschichte ihren Höhepunkt erreicht hatte. Der Filter brannte schon, in Streßsituationen rauchte sie noch heftiger als sonst.
»Eine … Organisation namens Final Action hat letzte Nacht einen Anschlag auf die Zentrale von Dutch Oil unternommen und einen großen Teil unserer Datensysteme zerstört. Die Schäden sind gewaltig. Aber das ist jetzt nebensächlich.« Van der Waal berichtete in verkürzter Form von dem Anschlag, von den Informationen, die das Aktivistentrio mitbekommen hatte, und von ihrer Flucht in das Naturschutzgebiet von Meijendel. »Einen der Aktivisten haben wir erwischt, und er wird … niemandem mehr erzählen, was er gehört hat. Aber seine zwei Gefährten verstecken sich immer noch. Meine Leute haben sie nicht rechtzeitig gefunden. Das Naturschutzgebiet von Meijendel ist ja immerhin etwa zweitausend Hektar groß. Schließlich waren wir gezwungen, die Behörden zu informieren. Den Gefangenen hätte man benutzen können, um die beiden anderen Aktivisten aus ihrem Versteck hervorzulocken, aber das haben die Sicherheitsleute, diese Idioten, nicht kapiert.«
Mary hätte am liebsten vor Erleichterung tief Luft geholt. Ezrael war also nichts geschehen. Sie glaubte zu verstehen, was der Grund für van der Waals Eile war. »Die Aktivisten müssen also jetzt sofort erledigt werden?«
»Sie können ihre Liquidierung vorbereiten, aber noch nicht zuschlagen: Die Polizei sucht sie immer noch in Meijendel. Inzwischen müssen Sie ein noch akuteres Problem lösen.« Van der Waal kostete vorsichtig von dem Genever und wartete, bis sich der Kellner entfernt hatte. »Einer der Aktivisten konnte noch eine SMS an seine Bekannte schicken, die hier in Amsterdam bei einem Internetdienst namens Future.com arbeitet. Wir haben diese Informationvon … unseren ausländischen Kontakten erhalten, die derzeit klären, in welcher Sprache die Nachricht geschrieben wurde. Es könnte sein, daß sie zuviel verrät, wir wissen nicht, wieviel die Aktivisten in der Zentrale von Dutch Oil gehört haben. Die beiden Mitarbeiter von Future.com müssen liquidiert werden. Und zwar sofort«, sagte van der Waal.
Mary fiel ein, daß es einige praktische Probleme gab. »Der Engel des Zorns ist immer noch in Finnland, er kehrt erst morgen früh zurück«, murmelte sie und zündete sich eine Zigarette an.
»Dann eben so bald wie möglich«, erwiderte van der Waal in aller Ruhe und schaute Mary voller Mitgefühl an.
Abscheu regte sich in ihr, das Gefühl war so stark, daß Mary es nicht mehr verdecken konnte. »Sie scheinen ja wirklich zu allem bereit zu sein. Aber Sie werden die Herstellung eines funktionierenden Fusionsreaktors nicht endlos lange hinauszögern können. Es wird ja überall in der Welt an seiner Entwicklung gearbeitet.«
»Leitern kann es meinetwegen eine Million geben. Man muß immer nur den hinunterstoßen, der am höchsten geklettert ist, dann kommt nie jemand aufs Dach«, sagte van der Waal lachend und legte einen Zwanzig-Euro-Schein auf den Tisch. Pieter half seinem Arbeitgeber, aus dem tiefen Sessel aufzustehen, warf Mary ein Kuvert in den Schoß, und dann gingen die Holländer.
Der Geruch von van der Waals Rasierwasser stieg Mary in die Nase – sie schüttelte sich vor Ekel. Van der Waal traute sie genausowenig wie den Briten, deshalb hatte sie detaillierte Notizen von ihren Gesprächen mit dem Holländer angefertigt und Ezrael befohlen, Fotos von ihren Begegnungen zu machen. Als Höhepunkt war es Ezrael sogar gelungen, van der Waal gemeinsam mit dessen amerikanischem Auftraggeber John Dexter zu filmen. Mary wußte, daß sie und Ezrael eine Lebensversicherung brauchten, weiles sehr wohl sein konnte, daß van der Waal die Zeugen seiner Verbrechen zum Schweigen bringen wollte, wenn alle Physiker, die auf der Liste standen, ermordet waren. Ein IRA-Terrorist, der im Auftrag von einflußreichen Geschäftsleuten Hinrichtungen organisierte, mußte sich sorgfältig absichern.
Die Arbeit rief. Mary schüttete sich den restlichen Gin Tonic mitsamt dem Eis in den Mund, drückte die Zigarette aus, verließ das Restaurant und überlegte schon, wie Ezrael die Mitarbeiter von Future.com liquidieren würde. Sie planten alle Anschläge Ezraels gemeinsam: Ihr Bruder war zwar intelligent und wirkungsvoll, aber trotzdem geisteskrank.
8
Die beiden Aktivisten, die für die Beschaffung der Finanzmittel von Final Action verantwortlich waren, saßen schweigend
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