Finnisches Quartett
Schlucht. Unterstützt wurden sie nur von einer kleinen Kavallerieabteilung und den Geschützen, die sie vom Burgberg Kivennapa mitgenommen hatten. Die Russen, die zu Fuß marschierten, lachten, als sie die Stellungen der Finnen sahen.
De Groots Stimme wurde noch lauter. »Wer ist der Chef von Final Action? Was haben Sie vor …«
Lasse setzte seinen schweigenden Monolog fort und kramte noch mehr seiner militärgeschichtlichen Kenntnisse aus dem Gedächtnis hervor. Es wurde erzählt, daß der erste Schuß aus den finnischen Geschützen den Fürsten Bibikow tötete. Dann fuhren die finnischen Skiläufer, die in der Nähe des Weges Stellung bezogen hatten, den Hügel hinunter direkt in die Flanken der russischen Vorhut. Die Russen, die ihren Kommandeur verloren hatten, gerieten in Panik, und ihre Vorausabteilung floh in völligem Chaos. Die Finnen schlugen erneut zu, diesmal in die Flanken der Hauptabteilung; die Skiläufer waren in den hohen Schneewehen schneller als die russischen Fußsoldaten und jagten den Feind über die Grenze zurück. Die Taktik war im Prinzip die gleiche wie im Zweiten Weltkrieg, im Winterkrieg, in der Schlacht an der Straße von Raate, fast vier Jahrhunderte später. Lasse kannte zahlreiche Schlachten in allen finnischen Kriegen auswendig.
Die aggressive Ermittlerin verließ plötzlich das Zimmer, und bald darauf marschierte ihr Kollege herein. Jetzt war beim Verhör der sympathische Beamte an der Reihe.
Der zwei Meter große, bärtige Mann beobachtete Lasse einen Augenblick mit ernster Miene, bevor er begann. »Was ist das nächste Ziel von Final Action?« fragte Henk Timmerman ganz ruhig und starrte Nordman an, der aussah wie das »Gebet eines Schlafenden« und gar nicht daran dachte zu antworten.
Es schien so, als hätte auch der Holländer genug davon, immer wieder vergeblich die gleichen Fragen zu stellen, dachte Lasse erleichtert, obwohl ihm natürlich klar war, daß Timmerman die Rolle des sympathischen Polizisten nur spielte. Zumindest hörte das Geschrei für einen Augenblick auf. Ihm kam der Gedanke, daß der Bartmensch, der eine Fliege mit Kaschmirmuster trug, eher wie ein Astronom und nicht wie ein Beamter des Nachrichtendienstes aussah. Er war müde.
»Wie viele Aktivisten gehören zu Final Action?«
Lasse schnaufte. »Wir sind keine Aktivisten. Heutzutage werden sogar schon die Leute Aktivisten genannt, die gegen die illegale Müllablagerung sind. Wir akzeptieren die systematische Zerstörung als Mittel zur Erreichung unserer Ziele, deshalb können Sie uns als Ökoterroristen bezeichnen. Wir sehen uns als Kämpfer für das Recht.« Bei diesen Worten mußte Lasse an Ulrike und ihren unerschütterlichen Glauben an eine neue Weltwirtschaft denken; so eine Überzeugung würde dieser Timmerman nie verstehen.
Timmerman hielt Lasse ein Blatt Papier vor die Nase und las dann langsam vor: »›
Man hat mich erwischt. Die Verfolger sind keine Polizisten. Helft. Konsortium der Ölkonzerne, geleitet von van der Waal, Assistentin Mary Cash, Physiker werden umgebracht – der Finne Elvas stirbt heute. Engel des Zorns
…
‹ Haben Sie das in der Zentrale von Dutch Oil gehört?« Jetzt beobachtete er Nordmans Reaktionen aufmerksam. »Wie und von wem?«
Lasse schloß die Augenlider und strengte sein vom fehlendenSchlaf betäubtes Gehirn an, er war todmüde und hoffte, daß er auch genauso aussah. Wie zum Teufel konnte die Polizei wissen, was van der Waal in der Zentrale von Dutch Oil gesagt hatte?
Eine Weile wartete Timmerman vergeblich auf eine Antwort. »Jorge Oliveira hat diesen Text, den ich vorgelesen habe, als SMS abgeschickt, etliche Stunden bevor Professor Elvas in Helsinki getötet wurde. Sie werden ja wohl verstehen, daß diese Nachricht auf ein Verbrechen hinweist, das noch schwerwiegender ist als Ihr Anschlag?«
Glaubte die Polizei wirklich, daß dieses von van der Waal geführte Konsortium Physiker umbrachte? Lasse war überrascht. Sollte er erzählen, was er von der Beratung des Konsortiums wußte? Warum nicht: Das würde Dutch Oil schaden und von ihrem Anschlag und Final Action ablenken. Vielleicht gelänge ihm sogar ein Handel mit seinen Informationen. »Welchen Nutzen bringt es mir, wenn ich kooperiere?«
»Es hilft Ihnen möglicherweise bei einem künftigen Prozeß. Auf den Umfang der Schadensersatzforderungen habe ich keinen Einfluß, darüber entscheidet Dutch Oil, und die Summe werden Sie kaum jemals abzahlen können. Selbst wenn du Verteidigungsminister wärst
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