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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Flohmärkten und bei Humana.
    Die Besprechung der Ermittlungsgruppe sollte mittags im Arbeitszimmer Ketonens in der vierten Etage beginnen. Doch der Chef verspätete sich. Es nieselte draußen, der Herbstregen hatte den Sonnenschein vom Vortag abgelöst und sprühte feine Tropfen an die Fensterscheiben.
    Ratamo klappte den Deckel der Kautabakdose auf und steckte sich einen Priem der Marke »General« schnell in den Mund, bevor sich der stechende Geruch im Zimmer ausbreiten konnte. Vor Müdigkeit brannten ihm die Augen. Bis zum Morgengrauen hatte er sich im Bett hin und her gewälzt und sich tiefschürfende Gedanken über Himoaaltos Besuch gemacht. Er ließ die Dose in der Tasche verschwinden, streckte vorsichtig die Beine aus und dachte über seine Freundschaft mit Timo nach, die schon im Kindergarten begonnen hatte. Himoaalto war immer offen und direkt gewesen, aber in dem Teufelskreis, in dem er sich seit geraumer Zeit befand, übertrieb er diese Offenheit und legte vor ihm selbst über seine intimsten Privatangelegenheiten Rechenschaft ab. Ratamo mußte sehr viel mehr hören, als ihm lieb war.
    Er angelte sich die »Helsingin Sanomat«, die auf Ketonens Schreibtisch lag. Auf der ersten Seite der Zeitung prangte diesmal, statt der sonst üblichen Werbung, die riesige Schlagzeile: »EU-KOMMISSAR IM ATHENEUM ERMORDET«. Auf einem kleinen Foto am unteren Seitenrand schaute Jussi Ketonen den Leser mit ernster Miene an. Die kurze und vage Stellungnahme des Chefs verriet nichts über den Stand der Ermittlungen.
    Die Tür wurde aufgerissen. Ketonen murmelte, er sei noch auf der Toilette gewesen, riß Musti fluchend die Sandale aus dem Maul und setzte sich.
    »Hast du dir die Hände gewaschen?« witzelte Wrede.
    »Ich hab mir ja nicht auf die Finger gepinkelt«, entgegnete Ketonen.
    Kuurma hätte dem Rotschopf, der neben ihr saß, am liebsten gegen das Schienbein getreten. Wrede nutzte es ungeniert aus, daß Ketonen die Disziplin schleifen ließ. Früher hätte sich Jussi solch eine Stichelei von niemandem bieten lassen.
    Ketonen raffte die Lottoscheine zusammen, die auf dem Schreibtisch herumlagen, und schob sie schnell in ein Fach, als würde er eine Flasche verstecken. Er hatte keine Lust mehr, die Champions League und die finnische Meisterschaft intensiv zu verfolgen, die Situation der Mannschaften zu analysieren und die Quoten der Kombiwette zu errechnen, sondern er begnügte sich damit, Lotto zu spielen. Immerhin hatte er sich nicht zum Dauerspiel hinreißen lassen. Warum sollte jemand überhaupt spielen, wenn er sich eingestand, daß er beim nächsten Mal vielleicht nicht gewann?
    »Warum hast du einem Hund mit hellem Fell den Namen Musti, Schwarze, gegeben?« fragte Ratamo zur Verwunderung aller. In der Regel erlaubte sich nur Wrede Fragen an den Chef zu persönlichen Dingen.
    Verdutzt fingerte Ketonen einen Augenblick lang an seinen Hosenträgern herum. »Er hieß schon so, als ich ihn bekommen habe.« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, ihm fiel etwas ein. »In Portugal lebt übrigens ein Hund namens Preto, der früher herumstreunte, aber seit vier Jahren jeden Sonntag allein die sechsundzwanzig Kilometer zur Messe in die Kirche trabt. Angeblich soll er auch mit den anderen Kirchgängern aufstehen und sich wieder setzen. Preto bedeutet schwarz. Das habe ich irgendwo gelesen.«
    Je länger das Schweigen anhielt, desto peinlicher wurde es. Wrede zog seinen unvermeidlichen Westover glatt und eröffnete die Besprechung. Ein schneller Durchbruch bei den Ermittlungen war ausgeschlossen. Die Mörder von Kommissar Reinhart hatten keine Fingerabdrücke im Atheneum hinterlassen, und die Bilderkennungsabteilung von Interpol konnte die Fotos der Männer nicht in ihren Archiven finden. Aber in dem Bus für die Journalisten wurden an der Nackenstütze des Mannes, der Reinhart erschossen hatte, blonde Haare entdeckt.
    Wrede schaute Ketonen kurz an und las dann aus seinenAufzeichnungen vor: »Die Haare sind synthetische Fasern. Der als Monofilament bezeichnete durchsichtige ›Boden‹ der Perücke, die der Killer benutzte, weckt den Eindruck, daß es sich um echte Haare handelt, weil die Kopfhaut des Trägers zu sehen ist.«
    »Die Bildanalysen von Interpol haben auch ergeben, daß die Ohren des Mannes, der auf Reinhart geschossen hat, am Kopf festgeklebt waren«, fuhr Wrede fort. »Sein Aussehen ist vermutlich auch in anderer Weise so geschickt verändert worden, daß eine Rekonstruktion der Gesichter nicht gelingen

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