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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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denn Pastor war zum Einzelkämpfer geworden und für ein Mannschaftsspiel alles andere als geeignet. Er hatte sich nie von alldem erholt, was ihm Anfang der neunziger Jahre widerfahren war, als die Krise über Finnland hereinbrach. Sie hatte ihm alles genommen: das Familienunternehmen, die Freunde, die Arbeit, das Eigentum, die Ehre und die Zukunft. Erst bot Drina ihm Geld an, aber Pastor wollte von niemandem Almosen. Dann schickte er ihn in ein zweiwöchiges Ausbildungscamp militanter Serben, in der Annahme, das harte Training würde seinen Widerstandsgeist brechen, aber Pastor hatte die Prüfung ehrenvoll bestanden. Am Ende gab sich Drina geschlagen und engagierte seinen Freund als Mitglied des Exekutionskommandos.
    Bei einem ersten Einsatz hatte Pastor seinen Mann gestanden. Drina fürchtete dennoch, daß er seine Verbitterung nicht im Zaum halten konnte. Sein Freund haßte die EU und die Politiker fanatisch. Den Beinamen hatte sich Pastor schon bald nach dem Konkurs seines Unternehmens verdient: Pausenlos predigte er über die Doppelmoral der Politiker, über das durch und durch korrupte System und die Ungerechtigkeiten, die er erleiden mußte.
    Drina versuchte immer noch, seinen Freund zu verstehen. Die Psyche eines Menschen konnte aus vielerlei Gründenerschüttert werden. Auch er war seelisch aus dem Gleichgewicht geraten. Fast jede Nacht wurde er von Alpträumen und Erinnerungen heimgesucht. Im Laufe der Jahre hatte er versucht, sich mit Drogen zu betäuben und so die schlimmsten Augenblicke des Krieges zu verdrängen. Im letzten Winter hatte er endlich ein besseres Mittel gefunden.
    Jugović winkte ihn zurück in den Zuschauerraum. Als Drina sich auf einen der Plüschstühle setzte, stieg eine Staubwolke auf. Jugović wollte ihn etwas fragen, doch da dröhnte ein Technosturm los, der alle anderen Geräusche unter sich begrub.
    Außer den Problemen mit Pastor belastete Drina noch etwas anderes. Das erste Mal in all den Jahren, in denen er Jugović diente, stellte er einen Befehl des Serben in Frage. Das betraf seinen Auftrag, die Morde an den Kommissaren zu organisieren.
    Das Motiv der Morde leuchtete ihm ein. Das Führungstrio von »Krešatik« wollte die Zukunft seiner Geschäfte sichern. Der Umsatz der Organisation hatte die Grenze von einhundert Millionen Dollar längst überschritten. Deshalb wollte »Krešatik« nicht zulassen, daß die EU die kriminellen Organisationen in Ungarn zerstörte. Mit vier gezielten politischen Attentaten würde man den Beitritt Ungarns zur EU hinausschieben. Eile war geboten, sie mußten etwas tun, bevor die Beitrittsverhandlungen zu weit fortgeschritten waren. So hatte es ihm Jugović erklärt, und so gab er es an Pastor weiter.
    Jugović entdeckte an der Bar eine alte Bekannte und setzte sich zu ihr. Drina sah die Gesten eines Flirts, weiter ging Jugović mit den Tänzerinnen nie. Er schien mit den Frauen nur zu spielen. Der Diskjockey drehte die Lautstärke wieder auf, man spürte das Stampfen der Bässe in den Eingeweiden.
    Drinas Aufgabe bestand darin, die von Jugović angeordneten Morde an den Kommissaren in die Tat umzusetzen.Er war gezwungen, dem Befehl zu gehorchen, obgleich er nicht verstand, warum Jugović ihm verboten hatte, anderen »Krešatik«-Mitgliedern von dem Plan zu erzählen. Und warum durfte er in der Exekutionsgruppe nur die von Jugović ausgewählten Serben einsetzen? Die fünfzehn Mann starke Gruppe hatte die Aktionen der nächsten Tage wochenlang geplant und vorbereitet. Das hatte Millionen gekostet. Woher kam das Geld? Das alles konnte nur bedeuten, daß Jugović undurchsichtige Absichten verfolgte.
    All diese Gedanken waren wie weggeblasen, als ein neues Mädchen selbstbewußt auf die Bühne tanzte. Drina erblickte sein nächstes Opfer. Der nackte Körper der Frau glich einer Skulptur. Er mußte sein linkes Bein ausstrecken.

7
    Wrede, Kuurma und Ratamo starrten auf die helle Labradorhündin, die hingebungsvoll auf einer Sandale ihres Herrchens herumkaute. Amüsiert bemerkte Ratamo, daß Wrede zu Ehren des Sonntags seinen Schlips zu Hause gelassen hatte. Er selbst trug stets Jeans und Flanellhemden, obwohl es bei der SUPO üblich war, daß die Männer im Anzug zur Arbeit erschienen. Den hatte er jedoch nach seiner Zeit als Wissenschaftler erst ein einziges Mal angezogen – zur Beerdigung seiner Großmutter. Es gab nur einen Mitarbeiter der SUPO, der noch nachlässiger gekleidet war als er: Riitta besorgte sich ihre meisten Kleidungsstücke auf

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