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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Wissen der Parteiführung zugeschlagen haben«, sagte Ketonen wie zu sich selbst.
    In dem Raum herrschte Stille. Ketonen schien über etwas ganz anderes als den Mord an dem Kommissar nachzudenken. Mit der einen Hand dehnte er seinen Hosenträger, und mit der anderen fuhr er durch seinen grauen Haarschopf. Schließlich referierte der Chef kurz, was in der gestrigen Sitzung des Außen- und sicherheitspolitischen Ausschusses besprochen worden war. Es ärgerte Ketonen, daß man ihn in die gesamteuropäische Koordinierungsgruppe berufen hatte, die alle Untersuchungen im Mordfall Reinhart überwachen und die Arbeit der Behörden der einzelnen Länder aufeinander abstimmen sollte. Diese Aufgabe würde einen Großteil seiner Zeit in Anspruch nehmen.
    Ketonen hatte die Befürchtung, die Europabürokraten könnten bei den Ermittlungen die Führung übernehmen, was er allerdings für sich behielt. Nach den Terroranschlägen von New York war die Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste der EU-Staaten ständig intensiviert worden. »Ich werde mein Bestes tun, damit wenigstens ihr in Ruhe arbeiten könnt. Irgend jemand muß ja dieses Mysterium im Atheneum aufklären. Riitta, bringe in Erfahrung, warum der eine Mörder den Namen Alexander de Gadd benutzt hat. Erik,du bist für die Ermittlungsgruppe und für die operative Arbeit bei der Untersuchung des Falles verantwortlich, wenn ich nicht da bin. Lacht über eure Probleme, das tun die Kriminellen nämlich auch.« Der Chef beendete die Besprechung.
     
    Wrede legte die Unterlagen auf seinen chaotischen Schreibtisch und versuchte sich zu beruhigen. Das fiel ihm allerdings schwer: Da liefen die wichtigsten Ermittlungen seines Lebens, und er mußte mit seiner Frau essen gehen! Er warf einen Blick aus dem Fenster; draußen schien es kühl zu sein, aber immerhin hatte der Regen aufgehört. Also beschloß er, ohne Mantel auszukommen, der Westover mußte genügen. Bis zum Restaurant Himalaja brauchte man nur eine Minute.
    Wrede rief seiner Sekretärin zu, er sei übers Handy zu erreichen, und sah, wie Mikko Piirala zum wiederholten Male in diesem Monat mit der jungen Frau flirtete. Der Chef der Abteilung für Informationsmanagement war ein seltsamer Vogel, warum in aller Welt hing der jeden Sonntag auf Arbeit herum?
    »Piirala, wenn du schon sonst nichts zu tun hast, dann spitze wenigstens deine Bleistife«, sagte Wrede in schroffem Ton zu dem EDV-Experten, einem Mann in mittlerem Alter. Die Zornesröte überdeckte die Sommersprossen des Schotten. Er konnte die Büroarbeiter nicht leiden: Die Schreibtischleute waren eine ganz andere Kaste als die Ermittler, die vor Ort arbeiteten.
    In der Ratakatu wäre Wrede um ein Haar mit einem Inlineskater zusammengestoßen, der den Fußweg entlangraste, er trat in Hundekot und fluchte. Seine Frau wartete nicht gern, und er war schon zehn Minuten zu spät. Das Gerücht von Ketonens bevorstehender Pensionierung hatte den Zustand ihrer Ehe verbessert, so daß sie nun einigermaßenfunktionierte. Aino quengelte nicht mehr ständig herum und hielt ihm vor, wie erfolgreich ihr Bruder als Geschäftsmann war und wieviel Geld er hatte. Auch ihr schien klargeworden zu sein, daß Wrede schon bald mehr Macht ausüben würde als alle kleinen Geschäftsleute Finnlands zusammen.
    An der Tür des Restaurants mit nepalesischer Küche bemerkte er, daß einige buntbebilderte Zeitungsseiten an dem Hundekot auf seiner Schuhsohle klebten. Er rieb seinen Schuh über den Asphalt und zischte Verwünschungen durch die Zähne. Dann entdeckte er einen Schuhabtreter und wurde den stinkenden Papierhaufen endlich los.
    In der hinteren Ecke des Restaurants fand sich ein freier Tisch. Von Aino war weit und breit nichts zu sehen. Eine Frau darf natürlich zu spät kommen, aber ein Mann wird schon wegen einer Minute Verspätung aufs Rad geflochten, dachte Wrede und sagte dem freundlichen Kellner, er warte noch auf seine Frau.
    Die Gründung der gesamteuropäischen Koordinierungsgruppe kam ihm sehr gelegen. So durfte er praktisch die Ermittlungsgruppe der SUPO leiten, und Ketonen blieb dennoch die graue Eminenz im Hintergrund; bei den Ermittlungen im Mordfall Atheneum könnte sich für Ketonens Erfahrungen Verwendung finden. Jetzt würde er, Wrede, allen zeigen, daß er in der Lage war, schwierige Ermittlungen zu leiten. Solch eine Chance ergab sich kein zweites Mal, um sie zu nutzen, mußte er alle Mittel einsetzen. Die erlaubten und die nicht erlaubten.
    Die Zukunft lächelte ihn an. Nur

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