Finnisches Requiem
Ostbosniens zusammen mit Kriegsverbrechern und Militanten, die von Groß-Serbien träumten, hatte sich nur psychisch als schwere Prüfung erwiesen. Nach den Jahren der Isolation war es äußerst schwierig gewesen, sich in eine kompakte Gruppe einzufügen.
Seine physische Verfassung würde er niemals vernachlässigen. Seit dem dreizehnten Lebensjahr trieb er Modernen Fünfkampf. Auch bei der Jagd tat man etwas für eine gute Kondition. Immer wenn sich die Gelegenheit dazu bot, ging er mit dem Elchgewehr und der Schrotflinte auf die Pirsch.
Der tief in ihm verborgene Haß schlug unversehens zu: Wenn die Politiker seine Existenz nicht zerstört hätten, wären solche Auslandsreisen für ihn immer noch alltäglich. Als junger Mann von siebenundzwanzig Jahren wurde Pastor im Frühjahr 1990, nach dem Tod seines Vaters, Direktor des einhundertfünfzig Jahre alten Familienunternehmens »Finska Järn AG«. Das überraschte niemanden. Seit Kindesbeinen war er darauf vorbereitet worden, das Unternehmen zu leiten.
Im Herbst 1991 schwor die Regierung Aho, daß sie keine Devaluation vornehmen würde, also beschloß er, die Valutakredite der Firma ungeschützt zu lassen. Er vertraute dem Wort der Politiker. Im November 1991 wurde die Finnmarkabgewertet, die Schuldenlast des Unternehmens explodierte, und die Krise nahm ihren Anfang. Durch den Beschluß über das Floating der Finnmark im Herbst 1992 verschlechterte sich die Situation noch weiter. Nur der Export wurde gestützt. »Finska Järn« war aber auf dem Binnenmarkt tätig, das Unternehmen brach zusammen, und nichts konnte die Firma retten. Das Gesetz über die Unternehmenssanierung war noch in Arbeit. Seine eigene Entscheidung, die Valutakredite der Firma nicht zu schützen, hatte alles zerstört, das Unternehmen und ihn selbst. Er war schuld. So sahen es alle: die Familie, seine Freunde und die zwölfhundert Mitarbeiter, die nun arbeitslos wurden.
Der Konkurs und die darauffolgenden Maßnahmen der Banken zur Einziehung der Forderungen nahmen ihm alles bis auf den Hof der Familie in Karjalohja. An der hundertfünfzigjährigen Familientradition hielt er mit Zähnen und Klauen fest. Eine Rückkehr ins Geschäftsleben gelang ihm nicht: Niemand war bereit, durch Kredite einen Unternehmer zu finanzieren, der Konkurs gemacht hatte, wegen Schuldnerbetrugs verurteilt war, einem Geschäftsverbot unterlag, seine Kreditwürdigkeit verloren hatte und über keinen Pfennig Anfangskapital verfügte. Auch der Hof der Familie war bis zur Spitze der Fernsehantenne mit Hypotheken belastet. Pastor kündigte seine Beziehungen zur Gesellschaft auf.
Über neun lange Jahre, die eine einzige Qual waren, konnte er sich erfolgreich gegen die Banken und Zwangsvollstreckungsbehörden zur Wehr setzen, doch dann traf er wie auf eine Wand. Er war gezwungen, einen illegalen Kredit über zwei Millionen Finnmark aufzunehmen, um die Zwangsversteigerung des Hofes zu verhindern. Ein Krimineller aus Estland verlangte für den Kredit, den er Pastor gewährte, achtzehn Prozent Zinsen. Im Monat. Und als Sicherheit für den Kredit diente nicht der Hof, sondern sein Leben.
Im letzten Sommer änderte sich alles. Seine Schulden wurden fällig, und der Zinswucherer aus Narva ließ seine Forderungen von Profis eintreiben. Die Männer von »Brimstone MC« mißhandelten Pastor und nahmen alles mit, was man zu Geld machen konnte. Also all das, was ihm etwas bedeutete. Damals faßte er den Entschluß, Rache zu üben. Und so entstand der Wunsch, sich für andere aufzuopfern. Er hatte nichts zu verlieren.
Die Hitze der Rachgier hätte ihn fast verbrannt. Bis Drina ihm die Möglichkeit bot, sich durch die Ermordung der Kommissare an den Politikern und der EU zu rächen. Auch Finnland würde davon profitieren, wenn die Morde den Erweiterungsprozeß der EU verlangsamten: Sein Land brauchte dann kein Geld für die neuen Mitgliedsländer aus dem Fenster zu werfen. Zudem wäre ein Scheitern des Zeitplans der Erweiterung ein Imageverlust für die ganze EU.
Ein Schweißtropfen rann von seiner Stirn auf die dunkle Augenbraue, die so schmal war wie ein Strich. Er holte ein mit Monogramm verziertes Taschentuch aus seiner Westentasche, wischte sich das Gesicht ab und schaltete die Klimaanlage ein. In Sevilla herrschten zweiunddreißig Grad Hitze, aber er hatte nicht die Absicht, an seiner stilvollen Kleidung Abstriche zu machen. Er kleidete sich stets wie ein Gentleman.
Pastor wußte genau, wer an der Vernichtung seiner Existenz
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