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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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eines störte ihn: daß Arto Ratamo in der Ermittlungsgruppe mitarbeitete. Wenn er dem Mann einen Befehl erteilte, sah der immer so aus, als hätte er gerade in einen sauren Hering gebissen. Der Ex-Forscher war Ketonens Liebling. Der Chef hatte Ratamo den Weg in die SUPO durch die Hintertür eröffnet, er hattedem Mann für sein Studium eine Ausnahmebewilligung erteilt und ihn gleich zu Anfang in schwierige Ermittlungen einbezogen. Zu alledem hatte Ratamo auch noch als erstes die tollste Frau der SUPO aufgerissen. Verdammt. Empfand er Ratamo etwa als Bedrohung? Der Gedanke schoß ihm durch den Kopf, erschien ihm jedoch sogleich lächerlich. Der Wert seiner Erfahrungen in der SUPO war unvergleichlich, keiner konnte ihn übertreffen. Er war einfach immer zu angespannt und machte sich unter den Kollegen langsam unbeliebt. Künftig durfte er den Streß nicht mehr an seinen Untergebenen abreagieren.
    Als Wrede sah, wie seine Frau in das Restaurant einschwebte, bekam er zusätzliche Sorgen. Über ihrem Arm hing ein neuer Mantel, und ihr Haar wirkte deutlich blonder als noch am Morgen.
    »Ich habe dir auch etwas gekauft. Das Braten- und Lachsmesser ›Gary Rhodes‹ von Richardson. Die Schneide aus Wolfram brauchst du nie zu schärfen.«
    Wrede lächelte gequält. Das dreißig Zentimeter lange Messer würde die Perle seiner Sammlung sein, aber es kostete mehr als ein Abendessen in einem Luxushotel. Dieser Teufelskreis fände nur ein Ende, wenn die Kreditkarten eingezogen würden. Das würde dann allerdings auch das Ende mancher angenehmen Dinge bedeuten.

8
    »Ninjos solos. NO.« Das Schild hing an der Wand des Fahrstuhls im Hotel Arias. Pastor wich dem Blick der zwei langhaarigen Männer aus, die sich mit ihm in den schrankgroßen Lift gezwängt hatten. Es war ein unglaubliches Pech, daß die zwei Finnen ausgerechnet in demselben kleinen Hotel in Sevilla wohnten. Die Männer redeten über die kommende Demonstrationund waren sich sicher, daß er kein Finnisch verstand. Die Jungs verfolgten einen guten Zweck, aber ihre Mittel waren zu lasch. Freiheit setzte immer die Bereitschaft voraus, sich zu opfern. Doch die Finnen von heute waren zu fügsam und gaben sich mit einem bequemen Leben zufrieden. Keiner war mehr bereit, für große Ziele oder Grundsätze Entbehrungen auf sich zu nehmen. Er schon.
    Pastor öffnete die Tür seines Zimmers in der zweiten Etage und legte den schweren Schlüsselanhänger in eine Schale, die an der Wand festgeschraubt war. Das Licht ging an. Das Zimmer in dem bescheidenen Ein-Stern-Hotel im Zentrum wirkte klein, machte aber einen recht sauberen Eindruck. In seiner Zeit als Firmendirektor war er zwar wesentlich Besseres gewöhnt gewesen, aber er beklagte sich nicht. Als das Familienunternehmen »Finska Järn« noch in voller Blüte stand, stieg er auf seinen Dienstreisen ins Ausland immer nur in Fünf-Sterne-Hotels ab. Mit einem feuchten Papiertuch wischte er den gröbsten Staub von den Einrichtungsgegenständen.
    Prüfend betrachtete er sein Abbild im Wandspiegel. Die kurzen, grau gefärbten Haare sahen aus wie ein Stahlhut, den man in einer Form gegossen hatte. Der Doppelkragen des weißen Hemdes glänzte vor Sauberkeit. Die Seidenfliege war tadellos gebunden, und die Bügelfalten des dunkelgrauen dreiteiligen Kaschmiranzugs lagen schnurgerade.
    Pastor achtete auf gepflegte Kleidung, seit ihm sein Vater zum zwölften Geburtstag Bagheeras 1927 gedrucktes Werk »Der Herr der Schöpfung – Ein Leitfaden für die Bekleidung des Mannes« geschenkt hatte. Viele Jahre lang ließ er seine Anzüge, Hemden, Unterwäsche und Socken in der Hongkonger Firma »Mayers International« anfertigen. Der Verkäufer Jackie Manglani kam einmal im Jahr ins Hotel Marski, nahm bei seinen Kunden Maß und schickte die bestellten Sachen gegen Vorauszahlung per Post. Als Anfangder neunziger Jahre die Preise der Anzüge durch die Abwertung der Finnmark und den Floating-Beschluß ins Unermeßliche stiegen, endeten Jackies Finnlandreisen.
    Er trat näher an den Spiegel heran und streifte einen kleinen Fussel vom Revers seines Anzugs. Sein Gesicht sah noch schmaler aus als sonst, fast ausgehungert. Die kleinen runden Brillengläser lagen tief in den Augenhöhlen, und sein hakenförmiges Kinn stand schräg ab wie eine Haifischflosse. Das harte physische Training der letzten Monate hatte seinen Tribut gefordert, dennoch sah er um einiges jünger aus als gleichaltrige Männer. Das zweiwöchige Trainingscamp in den Bergen

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