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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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ließ die Waffe des Spaniers fallen.
    Die Mitglieder des Exekutionskommandos sprangen in den Transit, das Auto fuhr schon, als sie die Hecktür schlossen. Pastor bemerkte, daß er zitterte. Den Tod Sundströms empfand er als Genugtuung. Die Schweden hatten die Finnen jahrhundertelang unterdrückt. Nur wenigen war es vergönnt, dieses Gefühl der süßen Rache zu erleben. Dann schaute er auf seine nackten Hände und begriff, daß er die Handschuhe zu früh ausgezogen hatte.
    In der Gasse Sevillas floß Blut, und von einer Hauswand troff rote Farbe.

11
    Drina verabschiedete sich von Jugović und beendete das Telefongespräch. Der langhaarige Ex-Söldner zündete sich eine Drina an und steckte den Filter zwischen den halben Daumen und den klumpenförmigen Rest seiner linkenHandfläche. Er trat nackt an die gläserne Wand seiner Villa, die den Blick nach Norden freigab, und schaute auf das gewaltige, imposante Königsschloß auf der Südseite des Burgberges. Wer behauptete, Verbrechen würden sich nicht lohnen, der war ein Idiot. Auf rechtschaffenem Wege hätte er nie und nimmer ein Luxushaus im Botschaftsareal dieses vornehmen Stadtteils mieten können. Die teuersten Straßen Budapests lagen in den Budaer Bergen zwischen der Zitadelle und dem Königsschloß.
    Sein nächtlicher Alptraum bedrückte ihn immer noch. Die Bilder vom Gefangenenlager in Omarska ließen ihn nicht in Ruhe. Wieder hatte er den Gestank der Gefangenen gerochen, die auf dem Fußboden schliefen. Und wieder sah er sich selbst im Drogenrausch lachen, als er einem männlichen Gefangenen den Lauf seines Sturmgewehrs ins Genick hielt und ihn zwang, sich eine lebende Maus in den Mund zu stopfen. Die Folterungen waren in Omarska ein Spiel gewesen, sie wetteiferten auch miteinander, wer einen Gefangenen dazu brachte, einen ganzen Nager zu verschlingen.
    Drina versuchte nicht mehr, vor seinen Erinnerungen und Alpträumen zu fliehen. Er hatte die Lehre Buddhas gefunden. Sie half ihm, zur Ruhe zu kommen. Allerdings verstand er nicht, wieso man niemanden hassen sollte. Aber man durfte die Lehre doch wohl nach seinem Geschmack anwenden? Er jedenfalls sah darin nichts Schlimmes, Siddhartha Gautama dürfte das kaum anders sehen. Der Buddhismus war für Drina genau das richtige, denn Buddha forderte, sich an niemanden gefühlsmäßig zu binden. Er hatte niemanden gern, abgesehen vielleicht von Pastor.
    Im Schlafzimmer hörte man Geräusche: Auch die Frau war aufgewacht. Drina erinnerte sich nicht an den Namen der Stripperin, befand ihre nächtliche Leistung aber für gut. Er strich über die Stelle, an der sein rechtes Ohr gewesenwar. Viele Frauen vermochten ihren Ekel nicht zu verbergen, wenn sie sein zerfetztes Organ sahen. Drina hatte in der ganzen Nacht keine Silbe von sich gegeben: Alle geeigneten Worte waren vor langer Zeit im Frauenhaus von Omarska gestorben.
    Der Anruf von Zoran Jugović verwirrte ihn. Er mußte nachdenken und ging in sein Arbeitszimmer. Auf der Fahne, die hinter dem großen Eichentisch an die Wand genagelt war, prangte das Logo der Großserben: Ein Kreuz mit dem Buchstaben C in jedem Winkel. Daneben hing die Ciganka – die Zigeunerin –, ein schwergewichtiges serbisches Zastava-Sturmgewehr mit Holzkolben. Seine Braut hatte ihm in den sieben verrückten Kriegsjahren vom bosnischen Frühjahr 1992 bis zum Sommer 1999 im Kosovo treu gedient. Er wollte nicht vergessen, wie er seinen jetzigen Status erreicht hatte.
    Die Sonne schien durch die Fenster herein und tauchte das Arbeitszimmer in helles Licht. Es war sein wärmster Herbst in Budapest, das Quecksilber fiel nicht unter fünfzehn Grad. Warum hatte ihm Jugović befohlen, den Termin des nächsten Mordes um vierundzwanzig Stunden vorzuverlegen? Warum sollte ein sorgfältiger Plan geändert werden? Die Lage wurde immer bedrohlicher. Änderungen des Plans im letzten Augenblick gefährdeten das Exekutionskommando und ihn selbst. Er verstand zwar, daß bei den Exekutionen Eile geboten war, aber auf einen Tag konnte es ja wohl nicht ankommen.
    Der Anschlag in Sevilla war nicht gänzlich nach den Anweisungen von Jugović verlaufen. Sundströms Tod sollte wie ein Unfall aussehen. Das hätte die Ausführung des dritten und vierten Mordes erleichtert. Jetzt würde es extrem schwierig werden. Die Gesetzeshüter in ganz Europa wußten nun, daß es um einen Serienmord an Kommissaren ging. Die Behörden konnten sich auf neue Anschläge einstellenund würden größte Vorsicht walten lassen. Nach dem

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