Finnisches Requiem
einem Stand voller Kitsch für die Touristen beachtete der Kommissar nicht.
Der Mann, der die Soutane eines katholischen Priesters und einen schwarzen breitkrempigen Hut trug, heftete seine Augen auf Sundström. Die bis zu den Knöcheln reichende Amtstracht wirkte glatt und faltenlos, und das goldene Kruzifix war so an einem Knopfloch der Soutane befestigt, daß die Kette zu beiden Seiten einen ebenmäßigen Bogen bildete. Pastor trug zum erstenmal in seinem Leben eine Soutane. Er bot einen prächtigen Anblick: Bagheera wäre stolz auf ihn. Plötzlich wurde ihm klar, daß er direkt in eine Kameralinse schaute. Gerade als der japanische Tourist auf den Auslöser drückte, bückte sich Pastor schnell, um seine Schnürsenkel festzuziehen.
Der Geistliche richtete sich auf, sein Blick suchte Sundströms Gefolge. Die beiden Beamten der SÄPO und des CNI und die zwei Polizisten schützten den Kommissar, den Bürgermeister und die Führerin. Pastor lebte diesen Augenblick mit jeder Faser seines Körpers. Er stand im Zentrum der Geschichte.
Auf dem Platz wimmelte es von Mitarbeitern der Stadtverwaltung und Polizisten. Absperrungen wurden errichtet, die Konferenzgebäude und die Anfahrtswege für die Konferenzteilnehmer wurden mit Stahlgitterzäunen in Betonfüßen gesichert, Gullydeckel wurden zugeschweißt …
Pastor wußte, daß Sundström und sein Gefolge als nächstes die schmalen und verwinkelten Gassen in Santa Cruz und im alten jüdischen Viertel ansteuern würden, um das uralte Sevilla in seiner ursprünglichsten Form zu bewundern. Das Exekutionskommando hatte sich eine Kopie der Karte besorgt, auf der die Strecke für den Stadtrundgang eingezeichnet war. Pastor würde Sundström folgen und in regelmäßigen Abständen seine Position durchgeben. Die anderen Mitglieder des Exekutionskommandos warteten in einem Transporter auf der nächstgelegenen vierspurigen Straße, auf der Avenida Menéndez y Pelayolla, an die der Stadtteil Santa Cruz im Osten grenzte. Sundström sollte überfahren werden. Wenn alles gelang, sähe der Tod des schwedischen Kommissars wie ein Unfall aus.
Pastor räusperte sich in das schwarze Mikrofon an der Innenseite seines Kragens und vernahm in seinem Knopfhörer ein lautes Fluchen. »Die Gruppe verläßt den Platz Virgen de los Reyes«, flüsterte er und heftete sich an ihre Fersen. Sein Puls schlug schneller.
Die spanischen Polizisten gingen als erste die Calle Mateos Gago hinauf. Die Zivilisten folgten ihnen im Abstand von einigen Schritten und unterhielten sich lebhaft. Den Schluß der Gruppe bildeten die Beamten der SÄPO und desCNI. Tapas-Bars, Restaurants und Weinkeller säumten die steil ansteigende, enge Straße. Mitten im Gedränge der Touristen saßen ein paar einheimische Spätaufsteher und genossen ihren Frühstückskaffee. Bis zur Mittagszeit, wenn in den Gaststätten Hochbetrieb herrschte, und bis zur Siesta blieb noch Zeit.
Die Gruppe wandte sich vor der Kirche Santa Cruz nach rechts und näherte sich den engen Gassen, in denen zwei Menschen kaum genug Platz hatten, nebeneinander zu laufen. Die hellen Häuser der Gassen im Mudéjar-Stil sahen gut erhalten und schön aus. Durch die Tore konnte man einen schmalen Streifen der Patios erkennen. Springbrunnen, Blumenbeete und Keramikplatten, eine schöner als die andere, erinnerten an die arabische Vergangenheit der Stadt.
Sundström war von dem Anblick fasziniert. Sollte er sich die Wohnung für den Winter doch lieber hier kaufen als in Marbella? Jedenfalls würde er in Sevilla nicht stets und ständig auf Schweden treffen, und in einer Großstadt war die Aussicht, nicht behelligt zu werden, ohnehin größer. Plötzlich hörte er am Ende der Gasse lebhaftes Stimmengewirr. Bestimmt ein überfülltes Straßencafé, dachte Sundström.
Die spanischen Polizisten an der Spitze der Gruppe erreichten das Ende der Gasse und blieben auf dem von Straßenrestaurants umgebenen Platz stehen, als ein starker Motor aufheulte. Sundström war im Begriff, auf den Platz hinauszutreten, doch der SÄPO-Beamte zog ihn von hinten am Mantel in die Gasse zurück.
Man hörte einen dumpfen Aufprall, als der Transporter die spanischen Polizisten rammte. Sie wurden meterweit durch die Luft geschleudert. Der Ford Transit kam ins Schleudern, stieß seitlich mit voller Wucht in die Einmündung der Gasse und blockierte sie. Vom Kühlergrill tropfte Blut, aber der Kommissar war nicht überfahren worden. Der Plan war gleich zu Beginn fehlschlagen.
Der
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