Finnisches Requiem
prasselte auf ihn herab.
»Bei Jacob’s würde man das ›Die Krönung‹ nennen«, bemerkte Ratamo trocken. Er wartete mit seinen Kollegen darauf, daß die Männer von der Technik den Saal verließen, in dem sie elektronische Störgeräte, Anlagen zum Aufspüren von Abhörgeräten und andere Errungenschaften der Feinelektronik installierten. Der Raum in der ersten Etage wurde für die gesamteuropäische Koordinierungsgruppe vorbereitet, die man wegen der Morde an den Kommissaren gegründet hatte. Der ehemalige »Saal der Geistlichkeit« war groß und hoch. Trotz der schön restaurierten Möbel und der farbenfrohen Wandornamente wirkte er unfreundlich.
Ketonen schnaufte. Ihm ging durch den Kopf, daß die Phantasie mit der Entwicklung in der elektronischen Überwachungstechnik nicht mehr Schritt halten konnte. In Amerika versuchte man schon, Hyperspektralaufnahmen, die fürdie Suche nach Bodenschätzen und die Enttarnung von Waffen eingesetzt wurden, nun auch für die Überwachung von Menschen anzuwenden. Sie identifizierten eine Person, indem sie das Farbenspektrum maßen, das der Körper ausstrahlte. Die Technikgurus entwickelten auch Sensoren, die automatisch die Fußgröße, die Taillenweite und andere »Schneidermaße« des Objekts ermittelten. Und im Testversuch erprobte man intelligente Fußböden, die den Menschen anhand des Kraftprofils seines Fußabdrucks erkannten, und Kameras, die ein Individuum aus einer Entfernung von hundert Metern auf Grund der Iris seiner Augen identifizierten. Die neue Technologie war so effizient, daß sie bei mißbräuchlicher Anwendung schon bald die Privatsphäre des Menschen ersticken würde.
Die Finanzmittel für die SUPO mußten schnell aufgestockt werden, sonst würde die Behörde hinter der Entwicklung zurückbleiben wie ein Rechenschieber hinter einem Computer. In der Ratakatu wurden dringend mehr Fachleute benötigt, Spitzenkräfte, die ihre Ausbildung nicht im Rahmen der Polizeiorganisation erhalten hatten. Vorläufig waren Ketonens Anträge auf zusätzliche Mittel bei der Regierung auf taube Ohren gestoßen.
Ketonen hätte sich als Sitz der Koordinierungsgruppe einen Ort gewünscht, der nicht in Finnland lag. Er fürchtete, die Zusammenkünfte könnten zuviel Zeit in Anspruch nehmen, die dann bei den eigentlichen Ermittlungen fehlte. Finnland war jedoch das einzige Land mit einer Verbindung zu beiden Morden: Der eine Mord war in Finnland geschehen, und in der Nähe des anderen Tatorts hatte jemand einen finnischsprachigen Hinweis hinterlassen. In der Koordinierungsgruppe würden neben der SUPO die finnische Kriminalpolizei, Europol, Eurojust, Interpol, der deutsche Nachrichtendienst und das Bundeskriminalamt, der spanische Nachrichtendienst und die schwedische Sicherheitspolizeivertreten sein. In fast einem Dutzend Institutionen liefen Ermittlungen zu den Morden an den Kommissaren – irgend jemand mußte die Arbeit der Behörden in den verschiedenen Ländern koordinieren.
Ketonen wollte die Besprechung seiner Ermittlungsgruppe im Ständehaus durchführen, um die Räumlichkeiten kennenzulernen. Hier sollten die Beratungen der Koordinierungsgruppe stattfinden, das hatte der Ministerpräsident durchgesetzt. Ketonen hielt das für eine unglückliche Entscheidung und hatte sich dagegen ausgesprochen. Immerhin war das Ständehaus der Schauplatz des berühmtesten politischen Attentats der finnischen Geschichte gewesen. Er mußte allerdings zugeben, daß seine festlichen Räume besser für die Koordinierungsgruppe geeignet waren als die Ratakatu 12. Hier ließen sich auch leichter Pressekonferenzen abhalten. Wenn man die Information über die Bildung der Koordinierungsgruppe veröffentlicht hatte, würden sich die Journalisten auf deren Mitglieder stürzen und ihnen nicht mehr von den Fersen weichen. Der Öffentlichkeitswert der Ermittlungen in diesen Mordfällen war für Finnland enorm. Die Medien mußten mit Glacéhandschuhen angefaßt, doch irgend etwas Wesentliches durfte nicht preisgegeben werden. Das konnte allerdings nicht ewig so weitergehen, die Massenmedien würden ungeduldig werden und in ihren Schlagzeilen die Behörden attackieren. Im schlimmsten Fall fänden die Journalisten irgend etwas Wichtiges vor ihnen heraus. Etliche ausländische Zeitungen und Fernsehanstalten waren um ein Vielfaches größer als die SUPO.
Ein Installateur vom Technikzentrum der Polizei konnte die Arbeit vollenden, die der vom Pech verfolgte SUPO-Mitarbeiter begonnen hatte, und
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