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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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grinsen, als er an die teuren und unpraktischen modischen Möbel dachte, die seine Frau für ihre frühere Wohnung angeschafft hatte.
    Das Telefon auf dem Küchentisch klingelte. Riitta nahm ab. Mit säuerlicher Miene hörte sie einen Moment zu und sagte dann »Augenblick« – und zwar mit einer Stimme, bei der sogar Lava gefroren wäre. Sie hielt die Hand vor den Hörer und schaute Ratamo, der über seine Bartstoppeln strich, wütend an. »Herr Aalto hat wieder Sehnsucht nach einem Saufkumpan. Ratamo, jetzt sagst du ihm aber endlich die Meinung.«
    Sein oder nicht sein, oder das darf doch nicht wahr sein, dachte Ratamo. Allmählich hatte er genug, sowohl von Himoaalto als auch von Riitta. Er mußte hier raus.
    Ratamo vereinbarte mit Himoaalto ein Treffen in einer halben Stunde, legte auf und durfte sich dann anhören, was er Riittas Meinung nach tun sollte. »Es darf allerdings nicht lange dauern«, ermahnte sie ihn, »denn die Ermittlungsgruppe trifft sich morgen um acht.« Ratamo war so nahe daran auszurasten, daß er seine Jeans und sein Flanellhemd in Rekordzeit anzog. Er konnte Gemecker nicht ertragen. Schon gar nicht in seiner eigenen Wohnung. Gleich würde er etwas sagen, das er später bereute.
    Ratamo band sich die Schnürsenkel zu und bemerkte, daß die zwei Meter hohe Standuhr aus Ilmajoki stehengeblieben war. Er zog sie an den Ketten auf, nahm seine Jeansjacke, ging in den Flur und seufzte. Im Moment hatte er das Gefühl, daß er auch mit Riitta ein ernstes Gespräch führen müßte. Irgendwann.
    In der Korkeavuorenkatu schob sich Ratamo zwei Prieme unter die Oberlippe und schlug seinen Kragen hoch. Die Septembernacht war kalt und dunkel. Das Licht der Straßenlaternen spiegelte sich nur dürftig auf dem Asphalt. Alles sah schwarzweiß aus. Die Luft war feucht, bald würde es regnen. Plötzlich hörte man weit oben Geschnatter. Ratamo blieb mitten auf dem Fußweg stehen und spähte zum Himmel. Es war nichts zu sehen. Vielleicht hatte ein Schwarm Gänse seine Ruheplätze in Viikki verlassen und flog in ferne Länder.
    Eigentlich war es angenehm, mit Himoaalto mal wieder abends wegzugehen. Timo wurde schon mit zwanzig »beringt«, ihre aktive Zeit als Barfliegen lag also bereits eine ganze Weile zurück. Damals hatten sie im »Anna und Erik«, »Joy«, »Circus Maximus« oder im »Alibi« gesessen. Jetzt lief er in Richtung Ruoholahdenkatu zum Restaurant Kantis. Ein Taxi brauchte er nicht, die Entfernung betrug nur etwa einen Kilometer. Außerdem tat es gut, frische Luft zu schnappen und durch die vertrauten Straßen zu gehen. Die Fredrikinkatu war eine seiner Lieblingsstraßen. Hier oder in der Nähe fanden sich etliche kleine Läden, Fachgeschäfte, Antiquariate und ethnische Restaurants. Die Häuser, die im Laufe der Zeit Patina angesetzt hatten, sahen angenehm aus, und das Rattern der Straßenbahnen wirkte vertraut.
    Das »Kantis« war auch am Montagabend mit Kneipengängern unterschiedlichen Niveaus und Alters gut gefüllt; dafür sorgte das billige Bier. Zum Glück wurde heute nicht Karaoke gesungen. Alle anderen typischen Elemente eines hiesigen Lokals waren jedoch vorhanden: eine Gruppe, die krakeelte, aber schon bald unter den Tisch rutschen würde, junge Leute, die beim billigen Bier Schwung holten, ein streitendes Ehepaar, ein einsamer Mann, der vor sich hin starrte, und ein Spielsüchtiger, der Geld für die Volksgesundheit spendete. Timo schien nicht wegen des billigenBieres hier zu sein, sondern um andere Leute zu sehen, die nicht Sklave ihrer Karriere waren.
    Himoaalto versteckte sich an einem Tisch ganz hinten in der Ecke, er sah schlimm aus. Das aufgedunsene Gesicht glänzte, und die kirschroten Augen lagen noch tiefer als sonst. »Seija hat meinen Koffer gepackt. Ich kann angeblich meine Klamotten abholen, wenn ich die Nächte nicht zu Hause verbringe.«
    Timo schüttete ihm weiter sein Herz aus, und Ratamo verkniff sich einen Kommentar. Der Freund berichtete bis ins Detail über alle Ereignisse der letzten Tage: seine Kneiptouren, die Frauen und den morgendlichen Kater.
    Ratamo kam erst zu Wort, als Timo sein Glas an die Lippen setzte. »Warum zum Teufel versenkst du dein Leben in der Maische?«
    Himoaalto lächelte. »Da möchte ich Aki Kaurismäki frei zitieren: ›Ich liebe den angenehmen Geschmack des Alkohols und das Wohlgefühl, das er mit sich bringt. Dann scheint alles gewissermaßen besser zu klappen.‹« Er war mit seiner Antwort zufrieden und grinste.
    Ratamo sah, daß jeder

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