Finnisches Requiem
obersten serbischen Führung an den ethnischen Säuberungen. Nach der Beendigung des Krieges fürchtete Milošević, daß Arkan sein Wissen für einen Deal mit dem Kriegsverbrechertribunal der UNO nutzen könnte. Auf der Todesliste des Sicherheitsdienstes stand auch der Name von Zoran Jugović.
Jugović floh nach Budapest und stieg bei »Krešatik« ein, weil er die Führer der Organisation kannte. Valeri Zelentsov war während des Krieges durch Arkans Schwarzmarktgeschäfte reich geworden, und Horvát hatte sich um den Verkauf des slawonischen Erdöls nach Ungarn und in andere Länder gekümmert.
Von Slobodan Milošević, Radovan Karadžić und Ratko Mladić drohte nun keine Gefahr mehr, deshalb wagte es Jugović, nach Hause, nach Belgrad, zurückzukehren. Wenn die Morde an den Kommissaren gelangen, bekäme er genug Geld und könnte tun, was er wollte. Seine Rolle als Mietknecht in Ungarn wäre zu Ende. Zu Hause würde er die Organisation von Arkan übernehmen und wiederbeleben. Er würde die Sängerin Ceca, Arkans Witwe, für sich gewinnen und gemeinsam mit ihr in das Minischloß im gotischen Stil einziehen, das Arkan in seiner Glanzzeit hatte errichten lassen. Sie würden ein unglaublich prächtiges Paar abgeben. In der Regel bekam Jugović, was er wollte. Wenn nicht im guten, dann mit Geld.
Drina durfte vor den restlichen Morden an den Kommissaren nicht gefaßt werden. Jugović nutzte den Halbserben aus, weil der Mann treu wie ein Hund und effektiv in seiner Arbeit war und weil er nicht unnötig viel fragte. In den Kriegsjahren hatte er die serbische Identität so verinnerlicht, daß er nun serbischer war als die Serben selbst. Drina, der Dummkopf, glaubte immer noch, die Morde dienten dazu, den EU-Beitritt Ungarns zu verhindern und die Geschäfte von »Krešatik« zu sichern. Dabei wollte sich Jugović auf diesem Wege nur genügend Geld beschaffen, damit er Arkans alte Organisation in Belgrad wiederbeleben konnte. Jugović brauchte Drina. Wenn er Drina umbringen mußte, bevor der Plan ausgeführt werden konnte, wäre er gezwungen, den Rest der Morde an den Kommissaren selbst zu organisieren und sich der Gefahr auszusetzen.
Jugović hielt keinen Kontakt zu den Mitgliedern des Exekutionskommandos, nur zu Drina. Niemand könnte ihn mit der Gruppe in Verbindung bringen. Die Kontakte zu Drina wären leicht erklärbar, schließlich waren sie beide Mitglieder von »Krešatik« und schon seit vielen Jahren Freunde. Bedauerlicherweise mußte Drina aber umgebracht werden. Das wäre die Garantie dafür, daß nie jemand von seiner eigenen Beteiligung an den Morden erfahren würde. Jugović war nicht stolz darauf, daß er die Absicht hatte, seinen ehemaligen Waffenbruder unter die Erde zu bringen.
Die Zukunft erschien jedoch ungewiß. Der Anschlag in Sevilla war nicht planmäßig verlaufen. Die Polizei wußte nun, daß das Exekutionskommando versucht hatte, den Mord als Unfall zu tarnen. Jetzt würde man überall in Europa aus Angst vor dem nächsten Anschlag die Sicherheitsvorkehrungen verschärfen. Wie zum Teufel war es nur möglich, daß Ljubo bei so einer leichten Liquidierung Mist gebaut hatte? Der Mann war immerhin der erfahrenste Profikiller in Arkans Organisation. Deshalb hatte Jugovićihn Drina als Chef des Exekutionskommandos empfohlen. Und wer zum Teufel trieb da diesen Unsinn mit dem Farbspray? War Drina der richtige Mann für diese ganze Operation? Jugović hatte sich von Anfang an über die Entscheidungen des Finnen gewundert.
Er goß Slibowitz in sein Glas, steckte sich eine ganze Pflaume in den Mund und schlürfte den Schnaps. Die Lackoberfläche des Mahagonitisches war an der Stelle, wo er den Schnaps verschüttet hatte, schon heller geworden. Verflucht noch mal, er müßte in Belgrad sein und die Organisation von Arkan übernehmen und nicht hier in Budapest Kriminelle hinters Licht führen.
15
Nellis Hand in der Popcorntüte erstarrte, mit der anderen hielt sie sich die Augen zu und verkroch sich noch tiefer im Schoß ihres Vaters. Sie saßen auf dem Sofa und schauten sich einen computeranimierten Zeichentrickfilm auf Video an. Ratamo fand, daß er irgendwie weniger echt wirkte als die guten alten Zeichentrickfilme. Er überlegte, ob diese Veränderung der Trickfilme wohl endgültig war oder ob die Leute irgendwann bemerken würden, daß von Menschenhand geschaffene Bilder persönlicher aussahen als maschinell produzierte.
»Jetzt würde der alte Seeräuber bei Asterix etwas auf lateinisch sagen«,
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