Finnisches Requiem
leer.
»Das ist entweder eine Frau, oder der Name ist schlecht gewählt«, entgegnete Seppälä sarkastisch. »Wer zum Teufel ist Hannele Taskinen?«
Demeter nahm die Zügel in die Hand. Um den Verhörten zum Sprechen zu bringen, nutzte er fachmännisch alle Mittel: Täuschung, Einschüchterung, Drohung, Belohnung, Bestechung und sogar Lügen.
Peter Seppälä hatte nicht die Spur von Angst vor Demeter. Der Mann konnte ihm nichts antun, was auch nur im entferntesten den Schmerzen gleichen würde, die er durchlitten hatte, als im Feldlazarett die Splitter aus seinem Körper herausgeholt wurden. Ihn beschäftigte nur eine Frage: Wie könnte er Ljubo benachrichtigen, daß Pastor nicht mehr zum Exekutionskommando gehörte. Es ärgerte ihn, daß er der Bitte Pastors nachgegeben und die Umbesetzung des Exekutionskommandos auf diesen Morgen verschoben hatte. Richtig war es allerdings gewesen, Pastor von seinem Verdacht gegen Jugović zu erzählen. Der Serbe mußte ihn beim NBH denunziert haben. Vielleicht war die Polizei dem Exekutionskommando auch schon auf den Fersen. Wenn er nur wüßte, wer die Informationsquelle von »Krešatik« im NBH war.
Je länger Ratamo Seppälä betrachtete und je mehr idiotische Kommentare er hörte, um so größer wurde seine Enttäuschung. Er hatte erwartet, von dem ehemaligen Söldner gut begründete Anschauungen und fundierte Meinungen zu hören, so ähnlich wie bei Ismo Varis. Aber der Militarist Seppälä war anscheinend nur zu seinem Vergnügen auf den Balkan gegangen, weil ihm Finnland nichts mehr bieten konnte. Wie schlief ein Mann nachts, der jahrelang als Killer gearbeitet hatte?
Nach einer Stunde beschloß Demeter, eine Pause einzulegen. Aus Seppälä war außer Zigarettenrauch nichts herauszubekommen. Sie mußten sich damit abfinden, daß ihnennur die Ermüdungstaktik blieb. Also würden sie Seppälä bis zur Erschöpfung verhören und darauf warten, daß er einen Fehler machte. Früher oder später machten alle Fehler.
34
Riitta Kuurma stand verblüfft im Flur einer Zweizimmerwohnung in Tikkurila. Sie hatte sich gerade kurz einen Überblick über Akseli Saarnivaaras Wohnung verschafft. Jeder Buchrücken in dem riesigen Bücherregal war schnurgerade ausgerichtet, die faltenfreie Tischdecke lag millimetergenau in der Mitte des Couchtisches, die Tagesdecke auf dem Bett war gespannt wie ein Segel im Sturm, und die Sanitärkeramik im Bad blitzte wie die Zähne eines Filmstars. Sogar die Einmachgläser im Kühlschrank waren geometrisch exakt angeordnet, mit dem Etikett zur Tür. Jeder Gegenstand war pedantisch genau ausgerichtet. Ähnliches hatte Riitta noch nie gesehen. Und sie war immerhin in nicht wenigen Junggesellenbuden zu Gast gewesen. Saarnivaaras Wohnung war ein Kunstwerk, eine Rauminstallation, etwas Besonderes, das sogar den Friedhof der Antiquitäten übertraf, den Arto in seiner Wohnung angelegt hatte.
»Dieser Saarnivaara ist entweder ein Verrückter, oder er hat als Reinemachfrau eine Perfektionistin«, stellte Loponen mit monotoner Stimme fest.
Kuurma ärgerte sich über ihren phlegmatischen Kollegen. Loponen hatte nur gegrinst, als der junge Mann von der Hausverwaltungsfirma, der die Wohnungstür aufschloß, trotz ihres Dienstausweises mit Bild nicht glauben wollte, daß sie eine Ermittlerin der Sicherheitspolizei war. Sie mußte den Knaben erst ordentlich zurechtweisen. Der Dienstausweis der nachlässig gekleideten jungen Frau wurde häufig sehr genau studiert, daran hatte sie sich gewöhnt.Heute war sie allerdings für ihre Verhältnisse korrekt angezogen: Der Leinenmantel der schwedischen Armee, den sie bei Humana gefunden hatte, sah fast wie eine Modekreation aus.
»Saarnivaara putzt seine Wohnung wahrscheinlich selbst. Keine einzige Putzfrau würde so genau arbeiten, daß es schon fast neurotisch ist«, dachte Kuurma laut. »Wie wäre es, wenn du die Nachbarn befragst.« Loponen zuckte die Achseln und verschwand im Treppenflur.
Riitta wollte Saarnivaaras Wohnung in aller Ruhe untersuchen. Sie glaubte in der Wohnung des Mörders zu stehen. Bei den Ermittlungen hatte es in den letzten vier Stunden mehr Fortschritte gegeben als in den vergangenen vier Tagen.
Nach ihrer Rückkehr aus Karjalohja hatte sie Saarnivaara nur finden wollen, um sich mit ihm über Peter Seppälä zu unterhalten. Als sich aber herausstellte, daß niemand etwas von dem Mann wußte, begann sie sich für Saarnivaara selbst zu interessieren. Der Mann war wie vom Erdboden verschluckt. Sie
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