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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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betrat. Auf den Marmorfußboden hatte man eine Art Emblem gemalt – einen fliegenden Adler. Um das Symbol herum war an Metallpfosten ein rotes Seil gespannt. Überall standen Grünpflanzen. Die meisten Menschen, die vorbeieilten, trugen Zivilkleidung, nur wenige eine Polizeiuniform. Im Foyer standen keine Stühle, es wirkte nicht wie ein Warteraum. Ratamo schob sich einen Priem unter die Oberlippe.
    Einen Augenblick später kam ein dunkelhaariger, kleiner und stämmiger Mann im Laufschritt und fragte in gutem Englisch, ob er Arto Ratamo aus Finnland sei. Der Mann stellte sich vor, sein Name war Tamás Demeter. Er roch nach Pfeifentabak, seine braunen Haare standen in alle Richtungen ab, und sein Kordanzug sah aus, als hätte er ihn von einem Dichter geerbt, der vor langer Zeit gestorben war. Sein Lächeln schien fast bis zu den Ohren zu reichen.
    »Wissen Sie, was das ist?« fragte Demeter und wies auf das eindrucksvolle Logo.
    Ratamo schüttelte den Kopf.
    Das Emblem des NBH sei der Schutzvogel Turul der alten Magyaren, halb Adler, halb Geier. Während Demeter ihm das erklärte, führte er ihn zum Aufzug und drückte auf den Knopf zum vierten Stock.
    Die Sicherheitsvorkehrungen innerhalb des NBH-Gebäudes waren streng. Der Aufzug wurde mit einem Schlüssel aktiviert, und die Flure waren vom Raum vor dem Lift durch Türen abgetrennt, die sich nur mit einer Kennkarte und einem fünfstelligen Code öffnen ließen.
    Im Besprechungsraum erwartete die Männer ein Tablett mit Kaffee und eine etwa dreißigjährige blonde Frau, deren Hosenanzug als Arbeitskleidung zu festlich wirkte. DieHaarwurzeln verrieten, daß sie ihr Haar färbte. Ratamo war überrascht, als Demeter ihm die Frau vorstellte. Carol Simmons arbeitete als Koordinatorin des FBI in der Budapester Abteilung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität.
    Die drei tranken Kaffee und plauderten eine Weile über dies und das. Demeter interessierte sich für die Verwandtschaft der finnischen und ungarischen Sprache und Simmons generell für Finnland. Die Frau gab zu, nichts von dem Land zu wissen. Dann spekulierten sie inbrünstig über die Morde an den Kommissaren, deren mögliche Motive und Auswirkungen auf den Erweiterungsprozeß der EU.
    Als die Unterhaltung stockte, nutzte Ratamo die Gelegenheit und kam zur Sache. In dem Raum breitete sich ein schwacher Teergeruch aus, er stellte das Päckchen auf den Tisch, das er an der Hotelrezeption erhalten hatte.
    Demeter wirkte nachdenklich und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Ihm fiel ein, daß die russische Mafia ihren Feinden gelegentlich mit Teergrüßen Angst einjagte. »Krešatik«, der Arbeitgeber von Peter Seppälä, war jedoch eine ukrainisch-ungarische Organisation. Demeter hatte noch nie davon gehört, daß »Krešatik« jemandem ein Paket mit Teer geschickt hätte. Die Sache müßte untersucht werden.
    Ratamo erfuhr von Simmons, welch große Rolle die Amerikaner in Budapest spielten. Das FBI hatte hier im März 2000 sein erstes Auslandsbüro eröffnet. Die Initiative war von der ungarischen Regierung ausgegangen, sie hatte die USA um Hilfe bei der Zerschlagung der kriminellen Organisationen in Budapest gebeten. Die Amerikaner waren der Bitte gern nachgekommen: Das Wachstum der russischen und ukrainischen Organisationen bedrohte die Vereinigten Staaten ebenso wie fünfzig andere Länder. In Amerika operierten schon über einhundert verschiedene russische Organisationen; das FBI hatte zu ihrer Untersuchung in LosAngeles, New York, San Francisco und Chicago Spezialeinheiten gebildet. Ein Zusammenschluß der russischen und amerikanischen Organisationen mußte verhindert werden, bevor es zu spät war.
    Simmons erzählte, daß die amerikanischen Agenten des Budapester Büros aus der Division des FBI zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität stammten. Ihre wichtigste Aufgabe bestand darin, Informationen über die Verbrecherligen zu beschaffen, indem sie Spitzel ausbildeten und einschleusten. Die FBI-Agenten hatten das Recht, eine Waffe zu tragen und in Zusammenarbeit mit ihren ungarischen Kollegen Verhaftungen vorzunehmen. In dem FBI-Büro arbeiteten fünf Amerikaner und zehn ungarische Polizisten, bei deren Auswahl das FBI das letzte Wort hatte.
    „Die zwei größten russischen Organisationen, die sich nach Amerika ausgebreitet haben, die Truppe von Semjon Mogilevitsch und die Organisation Solnzevskaja, haben ihr Quartier hier in Budapest«, ergänzte Demeter.
    Der Lockenkopf goß Ratamo Kaffee

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