Finnisches Requiem
beschloß, den Einsiedler zu finden.
Zunächst hatte sie Saarnivaaras Hintergrund untersucht. Im Archiv der Polizei gab es nur Unterlagen zu einem Schuldnerbetrug, die er selbst zusammengestellt hatte, und auch das Internet warf nur ein paar dürftige Informationen aus. Immerhin fand sie heraus, daß über Akseli Saarnivaaras Zukunft schon bei seiner Geburt entschieden wurde: Die Söhne der Familie waren schon seit vielen Generationen Direktoren des Unternehmens »Finska Järn« geworden. Saarnivaara hatte in den Krisenjahren Schweres durchgemacht: Die von ihm geleitete Firma brach zusammen, und der Mann verschwand vollkommen aus der Öffentlichkeit.
Als Riitta sich mit diesen Nachforschungen beschäftigte, brachte man ihr das Phantombild, dem die Beschreibung des Joggers in Capri zugrunde lag, und das führte zu einer abruptenWendung in den Ermittlungen: Das Gesicht auf dem Bild sah dem von Akseli Saarnivaara ähnlich. Der Mann war möglicherweise einer der Mörder. Die ganze Ermittlungsgruppe mitsamt ihren Helfern konzentrierte sich sofort auf Saarnivaara.
Riitta hatte zusammen mit der Abteilung für Informationsmanagement ermittelt, daß Saarnivaara immer noch eine sogenannte Schubladenfirma namens »Neoterra« besaß. Mit der Kreditkarte von »Neoterra« war am Vormittag des ersten Mordes in Vuosaari Benzin bezahlt worden. Nur Akseli Saarnivaara besaß eine Kreditkarte des Unternehmens. Der Benzinkauf war die letzte Spur, die der Mann in Finnland hinterlassen hatte.
Es gelang, Saarnivaara auch mit Sevilla in Verbindung zu bringen. Loponen hatte den Demonstranten von Sevilla ein Foto Saarnivaaras vorgelegt. Zwei von ihnen behaupteten, zusammen mit Saarnivaara im selben Hotel gewohnt zu haben. Der eine war sich vollkommen sicher. Das Bild des als Pfarrer verkleideten Mörders von Sevilla, das der spanische Nachrichtendienst angefertigt hatte, brachte allerdings keine Bestätigung.
Damit endeten freilich die Hinweise. Saarnivaara hatte Italien nicht mit einem normalen Flug verlassen, und er benutzte auch seine Kreditkarte oder seinen finnischen Mobilfunkanschluß nicht mehr. Saarnivaara könnte tatsächlich einer der Mörder sein. Wenn es Sotamaa schaffte, daß Taskinen der Tatort des nächsten Mordes einfiel, könnte man Saarnivaara in der richtigen Stadt suchen.
Die Wände von Saarnivaaras Wohnzimmer waren fast gänzlich mit Gemälden und Fotos bedeckt. Alte, ernst dreinschauende Herren mit Schnurrbärten und glänzenden Uhrketten starrten Riitta an. Sie vermutete, daß die Familie Saarnivaara in den mit Blattgold belegten Rahmen ihre größten Helden verewigt hatte. An einer Wand hingen in zweiReihen Gemälde und Fotos zu den Entwicklungsetappen von »Finska Järn«. Das erste Gemälde zeigte eine kleine, idyllische Eisenhütte auf dem Lande, und das letzte Foto in der Reihe war eine Luftaufnahme von dem riesigen Fabrikgelände. Dutzende Fotos standen auf dem Fensterbrett, millimetergenau ausgerichtet. Auf allen posierte Akseli Saarnivaara, nur auf einem nicht. Ein etwa zwanzigjähriger junger Mann mit rotem Barett schaute den Betrachter grimmig an. Peter Seppälä.
Riitta untersuchte das Bücherregal, das im Wohnzimmer eine ganze Wand bedeckte: finnische Geschichte, das »Kalevala«, Philosophie, die Biographien von Mannerheim und Sibelius, Psychiatrie und eine Geschichte von »Finska Järn«. Im CD-Ständer fanden sich klassische Musik, finnische Volksmusik und zu Riittas Überraschung auch eine Sammlung von Platten Eros Ramazottis, ihres Lieblingssängers. Irgendwie schien sie nicht zu all den anderen zu passen …
Im Bad landete Riitta einen Glückstreffer. Saarnivaara hatte seine Haarbürste und seine Zahnbürste in der Wohnung gelassen. Vielleicht könnten die Jungs von der Technik eine Speichelprobe aus der Zahnbürste gewinnen. Und wenn sich in der Haarbürste auch nur eine Haarwurzel fand, hätten sie eine Gewebeprobe, und mit der PCR-Methode ließe sich Saarnivaaras DNA ermitteln. So könnte man nachweisen, ob Saarnivaara der verwundete Mörder von Capri war.
Im Schlafzimmer entdeckte Riitta einen kleinen Schreibtisch aus Edelholz. Das darüber angeschraubte Regal war voller Aktenordner mit Unterlagen. Riitta zog ihre Gummihandschuhe an und öffnete den ersten Ordner. Zeitungsausschnitte: Die Regierung Holkeri in der Krise, der Beschluß über das Floating der Finnmark, Rolf Kullbergs ernstes Gesicht, Krise, Konkurse, Massenarbeitslosigkeit, die Regierung Aho … Sie klappte den zweiten Ordner
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