Finnisches Roulette
geweigert hatte, die wegen Anna in Angriff genommenen Forschungsprogramme zu unterstützen. Sabine und Oberst Agron hatten ihre Karten wirklich geschickt ausgespielt. Vielleicht war auch die Ehe von Sabine und Agrons Sohn Ehud ein Teil des Plans? Genügte es den dreien, daß Anna ihr Ziel nicht erreicht hatte, oder strebten sie selbst die Aktienmehrheit an? Aber wie?
Forster mußte vor der Besprechung am nächsten Morgen etwas einfallen, er wollte nicht zulassen, daß Sabine und Oberst Agron den Sieg davontrugen, und vor allem wollte er nicht, daß Anna vernichtet wurde. Die besten Einfälle hatte er, wenn er auf der Straße unterwegs war. Also stieg er die Treppe in den Keller hinunter, plagte sich eine Weile mit dem alten Nummernschloß der inneren Garagentür ab und schaltete das Licht an. Er konnte es sich nicht verkneifen, den silbergrauen Benzintank der Triumph Bonneville T120 des Baujahrs 1960 zu tätscheln. Der Motorradklassiker war für Forster ein Symbol der Freiheit.
41
Das Arbeitszimmer Dan Goldsteins glich einer Kommandozentrale der Armee. Auf den Tischen standen Computer, Monitore, Fernseher, Telefone und andere Geräte. An einer Wand leuchtete eine elektronische Karte des Nahen Ostens, auf der Symbole unterschiedlicher Farben die Position der Einheiten der Streitkräfte Israels und der arabischen Staatenanzeigten. Goldstein beendete ein hitzig auf hebräisch geführtes Telefongespräch, schaltete das Satellitentelefon aus und schaute Menahem Lieberman, den stellvertretenden Leiter von Ness Ziona, dem Biowaffenforschungsinstitut der israelischen Armee, mit ernster Miene an.
»Das war Oberst Agron. Anna Halberstam ist geschlagen. Wir haben den Wettlauf um Genefab gewonnen«, sagte Goldstein triumphierend, sein Gesicht strahlte vor Zufriedenheit.
»Metzuyan«,
freute sich Lieberman, der eine Kippa trug. »Jetzt ist alles bereit.«
Goldstein nickte, obwohl noch nicht alle Teile des Puzzles am richtigen Platz lagen. Lieberman brauchte jedoch nicht zu wissen, daß Anna Halberstam noch einen letzten Trumpf in der Hand hielt.
Liebermans Gruppe, die aus sechs Wissenschaftlern bestand, hatte am Montag ihren Jahresurlaub angetreten und war heute früh in Washington, D.C., eingetroffen. Die Männer könnten an die Arbeit gehen, sobald sie die Genkarten von Genefab erhielten. Dan Goldstein musterte den kleingewachsenen Wissenschaftler und überlegte, ob man Lieberman als Genie und Held in Erinnerung behalten würde oder als Ungeheuer, das dem beispiellosen Bösen die Tore der Wissenschaft geöffnet hatte. Liebermans Forschergruppe hatte einen genetisch manipulierten Pockenvirus in die USA mitgebracht, der jeden Infizierten tötete, gegen den keine Impfung wirkte und der über die Luft oder im Wasser verbreitet werden konnte. Seine Herstellung war ohne Probleme gelungen, das Einbringen von Genen in Pockenviren stellte eine Routinemaßnahme dar. Der genmanipulierte Pockenvirus bildete jedoch nur einen Teil von Liebermans geplanter Massenvernichtungswaffe.
»Ein Glas Wein?« fragte Goldstein und erhielt als Antwort ein eifriges Nicken. Er ging ins Foyer, öffnete eine luftdichteMetalltür und betrat seinen »Weinkeller«, dessen Kühlsystem die Temperatur mit einer Genauigkeit von einem Zehntel Grad regulierte. Goldstein ließ seinen Blick über die Glasschränke wandern, die vom Boden bis zur Decke reichten. Die Zeit für einen vorzüglichen Wein würde erst noch kommen, überlegte er und gab sich mit einem Château Palmer, Jahrgang 1996, zufrieden. Heute war ein Médoc gut genug. Er öffnete die Flasche in der Küche und ließ sie atmen.
Die beiden Israelis gingen in das riesige ovale Wohnzimmer, das von Panoramafenstern umgeben war. Die Sitzgruppen mit ihren Tischen wirkten wie kleine Inseln im weißen Teppichmeer. Goldstein warf einen Blick hinaus und sah, wie die Sonne hinter einer lockeren Schönwetterwolke auftauchte, nur um sich gleich wieder zu verstecken.
Zerstreut erkundigte sich Goldstein, was es bei Lieberman Neues gab. Er spürte schon, wie ihn das Gefühl des Erfolgs umschmeichelte, die Mühen der letzten Zeit würden bald belohnt werden. Die Wissenschaftler von Ness Ziona arbeiteten schon seit acht Jahren an der Entwicklung einer Genwaffe, genauso lange hatte man bei Genefab Unterschiede in der genetischen Struktur der jüdischen und arabischen Völker gesucht. Sie alle gehörten zu den semitischen Völkern und waren deshalb genetisch fast identisch. Dennoch gab es genügend Unterschiede. Die
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