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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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andermal zurechtzuweisen, stieg die Dienstbotentreppe hinauf und betrat sein Zimmer. Über Annas Eröffnung, die ihn zutiefst erschüttert hatte, mußte er erst einmal in aller Ruhe nachdenken.
    Konrad Forster legte die Füße auf den Schreibtisch aus Mahagoni und strich sich über die Stirn. Sein kombiniertes Arbeits- und Schlafzimmer war spartanisch eingerichtet: Schreibtisch, Bücherregal, Bett und Kleiderschrank reichten als Mobiliar. Hier durfte er die Gardinen aufziehen,und kein einziger Vogel war zu sehen, weder lebendig noch aus Glas. Nur die Fotos an der Wand sagten etwas über den Bewohner des Zimmers. In jedem schönen Holzrahmen posierten er und die fröhlich lächelnde Anna. Alle Bilder stammten aus den siebziger Jahren, aus der Zeit, in der sie noch ein Paar waren. Werner sah man auf keinem einzigen Foto.
    Forster wußte nun, daß der Kampf um H & S Pharma schon damals verloren war, als Anna Sabine Halberstam von dem Plan erzählt hatte. Waren es Sabine und ihr Schwiegervater Oberst Agron, die verhindert hatten, daß Anna die Aktienmehrheit von H & S Pharma erhielt? Forster stopfte seine Pfeife, zündete sie an und atmete den dicken, aromatischen Rauch ein.
    Was würde bei der Besprechung morgen geschehen? Forster fürchtete das Schlimmste. Waren all seine Anstrengungen umsonst gewesen? Annas Zukunft durfte nicht so zerstört werden, sie durfte ihre Träume und ihren Lebenswillen nicht aufgeben. Ihm mußte irgend etwas einfallen, wie er sie beide retten konnte.
    Er beschloß, Sabine anzurufen, im Grunde hatte er nichts mehr zu verlieren. Rasch tippte er die Nummer ein, schaute dann zu, wie ein schwarzer Schmetterling auf das Fensterbrett schwebte, und hörte ein energisches Hallo.
    Forster erzählte von Annas Enthüllung. »Du hast sie natürlich ausgehorcht und die Informationen an Oberst Agron weitergegeben«, sagte er verbittert.
    Sabine bestritt den Vorwurf nicht. »Ich bin mit Saul zusammen der Auffassung, daß sich H & S Pharma und Genefab nicht zu sehr auf die Forschungen zu ALS und zur Verlängerung der Lebensdauer konzentrieren dürfen. Das würde die beiden Unternehmen schwächen.«
    Forster überlegte, wie er erreichen könnte, daß Sabine ihre Karten aufdeckte, aber ihm fiel nichts ein. »Gehört FutureLtd. dem Oberst?« fragte er schließlich und erhielt als Antwort ein entschiedenes Nein. Forster glaubte ihr nicht. Alle Teile des Puzzles paßten zusammen: Sabine hatte die Informationen abgeschöpft und Oberst Agron den Kommandotrupp angeheuert, um zu verhindern, daß Anna die Aktienmehrheit an H & S Pharma erhielt.
    Sabine unterbrach Forsters Gedankengänge. »Ich habe heute morgen ein eigenartiges Fax aus Verona erhalten. Wußtest du, daß Annas Neffe seine Aktien irgendeiner italienischen Anwaltskanzlei überlassen hat?«
    »Natürlich weiß ich das. Du kannst dir ja vorstellen, was das für Anna bedeutet.« Forster heftete den Blick auf ein Foto, das ihn und Anna vor Goethes Geburtshaus zeigte.
    Sabine drückte den Hörer fester an ihr Ohr. »Anna kann die Entscheidungsgewalt im Unternehmen nicht mehr bekommen. Sie hat doch wohl nicht vor, ihre Drohung wahr zu machen? So etwas … muß man wohl nicht befürchten?«
    »Ich weiß nicht, was sie plant. Anna vertraut mir nicht mehr. Sie hat nur gesagt, daß sie für morgen früh eine Besprechung anberaumt hat. Das ist für dich die letzte Gelegenheit, deine Meinung zu ändern.« Forster versuchte noch ein allerletztes Mal, Sabine zu überzeugen: »Wenn du Anna deine Aktien verkaufst, kann sie vielleicht überleben. Anna muß geholfen werden, und zwar jetzt!«
    Sabine sagte, sie bedaure, aber sie habe nicht die Absicht, ihre Entscheidung rückgängig zu machen.
    Daraufhin beendete Forster das Gespräch auf unhöfliche Weise. Sabines Verhalten brachte ihn zur Weißglut. Die Safferling-Pfeife knallte auf den Rand des Aschenbechers, als der große Zeiger der Uhr mit einem Knacken auf die Zwölf vorrückte. Die Glut durfte in aller Ruhe vor sich hin brennen, Forster liebte die Mischung der Aromen von Latakia, Virginia, türkischem Tabak und Black Cavendish.
    Das Leben zeigte sich wieder einmal von seiner erbärmlichstenSeite, überlegte er niedergeschlagen. Es fiel ihm schwer, zu glauben, daß sich letztendlich Werners geliebte Nichte als Feind entpuppte. Viele hatten Werner und Sabine für Vater und Tochter gehalten, beide waren großgewachsen, hatten ein schmales Gesicht und eine klassische Nase. Jetzt begriff Forster, warum sich Sabine

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