Finnisches Roulette
zusammen das Schauspiel ›Ich habe nichts zu verbergen‹ aufgeführt. Es lohnt sich noch nicht, Agron festzunehmen, die Beweise reichen für eine Verhaftung nicht aus, und auf freiem Fuße könnte er uns auf die Spur seiner Helfershelfer oder der Partner, mit denen er zusammenarbeitet, führen.«
Ratamo bekam vom untersetzten Krüger eine Tasse schwarzen Kaffee, holte den Priem unter der Lippe hervor, ging zum Mülleimer und warf ihn hinein. Die deutschen Kollegen betrachteten ihn mit fragenden Blicken, schwiegen jedoch. Inge Würth sah schöner aus als die Sehenswürdigkeiten von Verona.
»Die Aktivitäten Saul Agrons in den letzten Wochen werden fieberhaft untersucht«, fuhr Brauer fort. »Laut Mossad weiß man, daß der in Verona gestorbene Mann mit der Tätowierungund acht andere ehemalige israelische Kommandosoldaten für Oberst Agron gearbeitet haben. Wir versuchen jetzt den Oberst mit den Soldaten und auf diesem Wege mit den Schießereien in Kraków und Verona in Verbindung zu bringen. Die Männer werden intensiv gejagt, ihre Fotos wurden heute morgen an alle Grenzübergangsstellen, Flughäfen, Häfen und Zollbehören in Italien, Polen und hier in Deutschland übermittelt.« Brauer hatte seine Informationen zügig vorgetragen und nickte nun Inge Würth zu.
Ratamo bemerkte, daß er die Frau schon wer weiß wie lange anstarrte. Was war mit ihm eigentlich los, wenn seine Gedanken in einem solchen Augenblick abschweiften? Er goß Wasser in sein Glas, aber das lauwarme Getränk konnte ihn auch nicht abkühlen.
»Ehud Agrons Datenprofil ist sauber«, sagte Inge Würth und berichtete, daß er mit dreiundzwanzig Jahren aus Israel in die USA gegangen war, um zu studieren. Nach seinem Abschluß hatte er einige Jahre im Ausland gearbeitet und war seit 2000 in Deutschland bei Genefab beschäftigt. Auch im Vorleben von Sabine Halberstam fanden sich keine dunklen Flecken.
Brauer musterte Ratamo, als wolle er abschätzen, ob der Mann zuverlässig war. »Wir haben auch eine Neuigkeit, die eingeschlagen hat wie eine Bombe. Mit Hilfe der Amerikaner haben wir Informationen über Future Ltd. aus Liberia erhalten. Das Unternehmen gehört dem in den USA lebenden Immobilienmilliardär Dan Goldstein, der Bürger Israels und ein zionistischer Hardliner ist und für die Besiedlung des Grund und Bodens in ganz Palästina mit Juden und nur mit Juden eintritt …«
Ein Mann der Grundsätze, dachte Ratamo für sich.
»… ich möchte hier in aller Deutlichkeit klarstellen, daß Goldstein keinesfalls im Verdacht steht, in die Gewalttaten der letzten Tage verwickelt zu sein«, sagte Brauer unwillig.»Er ist in den USA ein hochgeschätzter Mann, der im Hintergrund wirkt und die Republikaner unterstützt. Einen einflußreichen Mann wie Goldstein kann man ohne wasserdichte Beweise unmöglich als kriminell brandmarken.«
Das Wort zionistisch klang noch in Ratamos Ohren. »Der Gedanke, wohin diese Ermittlungen noch führen werden, ist nicht gerade angenehm. Ein ehemaliger israelischer Oberst, der das Biowaffenprogramm Israels kennt, und ein zionistischer Milliardär, der nach einem Biotechnologieunternehmen der Spitzenklasse greift – das ist ein ziemlich bedrohliches Doppel«, sagte er und starrte auf eine Fliege, die sich gerade auf seiner Hand niederließ.
Brauer überlegte einen Augenblick, was er dem Finnen antworten sollte. »Die Leute von der Antiterroreinheit des CIA sehen schon eine Katastrophe auf uns zukommen.« Für eine Weile hörte man in dem Beratungsraum nur das Surren der Elektrogeräte.
»Der Anwalt von Future Ltd. hat uns eine Strafanzeige gegen Konrad Forster geschickt.« Der stark schwitzende Frankfurter Polizist Uwe Krüger schaltete sich in stockendem Englisch in das Gespräch ein. »Forster hat heute morgen Anna Halberstams Testament gestohlen und ist verschwunden. Er sollte heute auch zum Verhör kommen …« Krüger wischte sich den Schweiß von der Stirn und berichtete Ratamo Einzelheiten von Annas letzten Minuten in der Villa Siesmayer. Dann ging er bedächtig ans Ende des Zimmers und öffnete ein Fenster.
Ratamo wirkte schockiert. »Ein Testament, das der Anwalt nur vollstreckt, wenn der Tote von eigener Hand gestorben ist? Welcher Verrückte denkt sich so etwas aus?«
»Meinst du Anna Halberstam oder den Anwalt?« fragte Inge Würth grinsend.
Ratamo antwortete nicht. »Ist das Testament denn nicht rechtswidrig?«
»In dem Testament wird der Selbstmord nicht erwähnt. Der Anwalt hat sich durch ein
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